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Elvis goes rororo

Realien zur Musik der Welt – aus einem unserer traditionsreichsten und vornehmsten Verlagshäuser. Jetzt auch mit echten Popstars  ■ Von Thomas Groß

„Tutti frutti oder die allgemeine Erektion des Herzens“ wäre ein guter Titel gewesen. Gab's aber schon, 1990 bei Schirmer/Mosel. Und weil bei so rororo-Bildmonographien, begründet von Kurt Kusenberg und mittlerweile auch schon seit Menschengedenken herausgegeben von Wolfgang Müller, ohnehin streng Obacht gegeben wird auf Seriosität und guten Ruf, heißt das Werk jetzt halt „Elvis Presley, mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Alan und Maria Posener“. Ein bißchen einschüchternd klingt das, aber das soll es auch. „Die Rockmusik mit ihrer Ideologie der Spontaneität ist die Antithese zur mühsamen Mosaikarbeit der Wissenschaft“, wissen die Autoren zu referieren, und wie zum Beweis häufeln sie Faktum auf Faktum: Elvis Aaron Presley, Sohn aus dem Po' White Trash, der weißen Unterschicht des Südens, geboren im Provinznest Tupelo, zur Schule gegangen in Memphis, Stotterer und Asthmatiker. Erster öffentlicher Auftritt während einer Minstrel Show der Humes High School, angekündigt als „Elvis Prestly“. Resonanz: dürftig, aber die Lehrerin mochte ihn. So wuchs er hin, eigentlich ein ganz netter Kerl, tolle Koteletten (schon damals).

Irgendwann kam es dann zur Erfindung des Rock'n'Roll, der von Posener/Posener Crash-Kurs-artig abgehandelt wird. Man erfährt, daß diese Musikrichtung in den Fünfzigern dem „Aufbegehren gegen eine repressive Sexualmoral“ entsprungen ist. Teenager wußten plötzlich, daß „Rock'n'Roll so etwas wie Poesie sein konnte“. Und mittenmang und vorneweg eben Elvis, der tüchtig mit allem herumwackelte, er ließ es nun mal raus – aber: „Im dunklen Herzen dieser Ängste bleibt die Verwirrung hinsichtlich der eigenen Sexualität.“

Posener/Posener reden in diesem Kontext von einer „Janusköpfigkeit“ des Rock'n'Roll – „Der Tod hat Elvis Presley immer fasziniert, Todessehnsucht war ein Teil seiner Persönlichkeit“ – und greifen zur Erklärung recht beherzt zu Freud und den Mitteln der Kulturtheorie („Psychokulturelle Kräfte“, die auf Familienstrukturen treffen und Ähnliches). Realien zur Musik der Welt eben. Auch allerhand Rezeptionsästhetisches wird aufgefahren, von der ersten Spiegel-Geschichte (Elvis als „Gott der Halbwüchsigen“) über das frühe Elvis- Dissing der ZEIT (das „beste Stück Jazz“ verhalte sich zum R'n'R wie das „Wohltemperierte Klavier“ zu einem „läppischen Operettenlied“) bis hin zu einem Kurzabschnitt zum Thema „Elvis und die DDR“: Durch die dpa verbürgt ist eine Anekdote, derzufolge ein Trupp von etwa fünfzehn Jugendlichen am 3. November 1959 durch Leipzig zog und vor dem Rathaus irgendeines gottverlassenen Vorortes skandierte: „Wir wollen keinen Lipsi [den von einem Menschen namens Günther Gollasch kreierten, offiziell genehmigten Gesellschaftstanz], sondern Elvis Presley mit seinem Rock'n'Roll“ Folge: Zuchthaus bis zu viereinhalb Jahren.

Plötzlich ist Elvis dann alt, tritt in weißen Karateanzügen auf und wird dem Glamour-Pianisten Liberace immer ähnlicher. In seinen Shows predigt er zwischendurch schon mal aus der Bibel, privat interessiert er sich für Esoterik, Astrologie, Appetitzügler und das Turiner Grabtuch. Kaum übrigens für Geschlechtsverkehr. In einem Akt progredienter Verwirrung bietet er Anfang der Siebziger, längst von allerhand Drogen abhängig, dem FBI seine Dienste als Informant an, um die Gesellschaft vor der Zerstörung durch Drogen zu schützen: „Ich habe eine tiefschürfende Untersuchung des Drogenmißbrauchs und der kommunistischen Techniken der Gehirnwäsche unternommen, und ich bin mitten in dieser Sache, wo ich viel Gutes tun kann und will... Ich würde Sie gerne treffen, nur um hallo zu sagen, falls Sie nicht zu beschäftigt sind. Hochachtungsvoll Elvis Presley.“

Von da an verliert sich sein Leben, aller wissenschaftlichen Mosaikarbeit der emsigen Poseners zum Trotz, endgültig ins Anekdotische, Legendäre, ja Traumgleiche. Elvis sei „nicht die Sorte von Individuum, die der Direktor gerne treffen würde; ... zur Zeit trägt er das Haar schulterlang und gefällt sich im Tragen allerlei exotischer Kleidung“, heißt es angeblich in einem Aktenvermerk des FBI. Elvis allerdings, von Nixon auf seinen Kleidungsstil angesprochen, soll geantwortet haben: „Mr. President, Sie haben Ihre Show und ich habe die meine.“ In dieser Hinsicht haben die Autoren das schon richtig erfaßt, wenn sie gleich zu Anfang klarstellen: „Nur wer bereit ist, sich auf das Faszinierende und Furchtbare dieses amerikanischen Traums einzulassen, wird Elvis Presleys Geschichte verstehen.“

Wer trotzdem – und mit einem gewissen Recht – findet, das ganze Buch trage nichts Entscheidendes zum besseren Verständnis des irgendwie immer noch virulenten internationalen Elvistums bei, der sei gerechtigkeitshalber auf den Klappentext verwiesen. Elvis' Musik spiegle „die Widersprüche unserer Zeit“, heißt es dort, „zwischen Schwarz und Weiß, Mann und Frau, Todessehnsucht und Lebenshunger, Rebellion und Konformität, Naivität und Selbstironie, Kommerz und Kunst“. Dem ist ja auch kaum was hinzuzufügen.

Elvis Presley. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Alan und Maria Posener. Rowohlt Verlag 1993, 155 Seiten, 10,90 DM.

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