■ Die 9. Meisterschaften im Zigarillo-Langsamrauchen: Wer zuletzt raucht, raucht am besten
Sattenhausen (taz) – „Wichtig ist“, sagt Willi Olech, „daß die Teilnehmer nur mit einer Hand rauchen. Sonst werden sie nämlich sofort disqualifiziert.“ Der 1,90-Meter-Mann ist Erster Vorsitzender vom Sattenhäuser „Zigarrenclub Brasil“ und ziemlich nervös. Denn die große Uhr auf dem Tisch des Ehrenpräsidiums zeigt bereits viertel vor fünf und Olech muß gleichzeitig Reporterfragen beantworten und letzte Hand an sein Redemanuskript zur Begrüßung der 220 TeilnehmerInnen an den 9. Deutschen Meisterschaften im Zigarillo-Langsamrauchen legen.
Rot-befrackte Helfer drängen sich durch die Tischreihen im Saal von Gastwirt Seebode und bauen auf jedem Platz das Wettkampfgerät auf – einen versilberten Aschenbecher, ein Feuerzeug und einen Zigarillo in den Maßen 95 mal 7 Millimeter. Die Sitzordnung ist zuvor ausgelost worden. Nur „Blaue Wolke Steinach“ und die „Rauchergemeinschaft Untermain“ konnten drei ihrer jeweils zehn Wettkämpfer und Wettkämpferinnen auf nebeneinander stehenden Stühlen plazieren.
Während die letzten Dachluken geschlossen, die Vorhänge zugezogen und die Dimmer auf Dämmer- licht gestellt werden, krabbelt Werner Weigand, der Bundesvorsitzende der Zigarillo-Raucher- Vereinigung aufs Podium. Mit heiserer Stimme krächzt er einen Reim ins Mikrofon – „Sehr veehrte Dammen und Herr'n, liebe Raucher aus nah und fern“ –, wünscht allen viel Erfolg und gibt um Punkt 17 Uhr schließlich „Feuer frei“. Synchron blitzen die Feuerzeuge auf, mehr als 200 Hände schieben Glimmstengel in ebensoviele Münder.
Schon nach wenigen Minuten ist der Saal in dicken blau-grauen Dunst getaucht. Luft und Sicht sind so schlecht, daß dem Beobachter die Augen tränen und er nur mit Mühe die Tricks und Taktiken wahrnehmen kann, mit denen die RaucherInnen ihre Zigarillos eben so am Glimmen halten. Gezogen wird nur selten. Erfahrene RaucherInnen halten die Stumpen mit der Glut in der hohlen Hand senkrecht nach oben. Schon der kleinste Luftzug kann buchstäblich das Aus bedeuten. Die besten acht TeilnehmerInnen jedes Teams gelangen in die Wertung, ihre Zeiten werden addiert und gewonnen hat, wer auf die insgesamt höchste Stundenzahl kommt.
Bereits nach fünf Minuten steigen die ersten mit erloschenem Rauchwerk aus – Greenhorns, die hier im Südniedersächsischen ihren ersten Wettkampf bestreiten. Die besten Langsamqualmer halten eine gute Stunde länger durch. Die Rekordzeit an diesem Abend schafft ein Teilnehmer von der „Rauchergemeinschaft Einigkeit Aschaffenburg“ mit 86 Minuten – sieben Minuten unter dem deutschen Rekord. Seinen Verein kann er mit dieser Leistung allerdings nicht zum Sieg führen. Den Titel der 9. Deutschen Meisterschaft im Zigarillo-Langsamrauchen holte sich der „Rauchclub Frohsinn Wiesen“ aus dem Spessart mit einer Gesamtzeit von 490 Minuten: ein Verein, dem Willi Olech zuvor allenfalls Außenseiterchancen eingeräumt hat. Reimar Paul
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