Stadtwerke-Chef log zweimal

■ Aus dem Bremer SPD-Versorgungsbetrieb / Gewerkschafter ließen sich zweimal bezahlen

Wenn heute der Stadtwerke- Vorstand Jörg Willipinski vor den Untersuchungsausschuß tritt, dann muß er gleich in zwei Fällen sich dem Eindruck stellen, daß er faustdick gelogen hat: Bürgermeister Wedemeier hat im August 1992 erklärt, er habe Willipinski im Februar gebeten, den Sonder- Werkstarif „sofort“ für ihn einzustellen. In Wirklichkeit hatte Wedemeier aber im August 92 noch Billig-Tarif.

Nachdem die taz Ende Juli einen Hinweis darauf veröffentlicht hatte, fragte damals die Grünen- Abgeordnete Hackstein „ihren“ Senator, ob er auch diese Vergünstigung habe. Ein Mitarbeiter des Umweltschutzsenators, Vogt, berichtete gestern dem Ausschuß, er habe ausweislich seiner Aufzeichnung am 17.August 1992 im Büro Willipinskis angefragt, ob Aufsichtsratsmitglieder Billigstrom beziehen würden; der Referent Willipinskis habe nach kurzer Rückfrage bei seinem Chef erklärt: Nein“.

Das war die Unwahrheit. Denn am selben Tag gab Willipinski erst die Anweisung, beim Kunden Wedemeier rückwirkend zum 1.7.92 auf Normaltarif umzustellen. Diese Anweisung wurde am 18.8. auf dem Dienstweg weitergegeben und am 19.8. von eimem Mitarbeiter der Stadtwerke ausgeführt. Die Umweltbehörde zweifelte offenbar damals schon am

Jörg WillipinskiFoto: Tristan Vankann

Wahrheitsgehalt und ließ sich die mündliche Auskunft bestätigen. Am 20.8. „bestätigen“ die Stadtwerke, daß „gegenwärtig“ keine Aufsichtsratsmitglieder den Billigtarif erhalten. Vom 20.8. datiert auch der förmliche Computerausdruck, der diese Tarifänderung feststellt. Normalerweise wird dieser Ausdruck dem Kunden zur Kenntnisnahme und Bestätigung zugestellt. Im Falle Wedemeier entschied Willipinski, daß die Tarifänderung nicht mitgeteilt wird. Wenn Wedemeier den Brief erhalten hätte, hat er dem Ausschuß erklärt, dann hätte er gesehen, daß die Tarifänderung zum 1.7. passiert ist.

Als Willipinski seinem Auf

sichtsratsvorsitzenden und Bürgermeister in einem Brief vier Tage später beschreiben soll, wie die Billigstrom-Geschichte verlaufen sei, schreibt Willipinski etwas ganz anderes auf: Er habe schon im Frühjahr den Billig-Tarif abstellen lassen und Ende Juli „vorsichtshalber noch einmal“ nachgefragt, ob das geschehen sei — das sei unnötig gewesen, weil „bereits ab einem weiter zurückliegenden Termin, nämlich den 26.3.1992, nach den für alle Tarifkunden geltenden Bestimmungen verfahren wird“. Kein Wort davon, daß er das gerade eine Woche zuvor und erst zum 1.7. rückwirkend getan hatte.

Willipinski wird dem Stadtwerke-Ausschuß heute erklären müssen, ob man das anders als eine faustdicke Lüge nennen darf. Der Vorgang hatte Folgen: Wedemeier hatte die Willipinski-Darstellung für die Bürgerschafts-Sitzung bestellt, die einige Tage später stattfinden sollte, und berichtete der Bürgerschaft — die Unwahrheit. Erst drei Tage nach der Bürgerschaftssitzung gab Willipinski seinen Mitarbeitern die Anweisung, den Tarif Wedemeier nun rückwirkend zum 26.3. zu ändern — und wieder wurde die Bestätigung der Tarifänderung dem Kunden Wedemeier nicht zugestellt. So kann der heute sagen, er habe von all dem nichts gewußt. Wedemeier sieht allerdings auch nach der Aufdeckung dieser Lügengeschichten keinen Anlaß, mit seinem Stadtwerke-Vorstand über Konsequenzen zu reden.

Am Rande der Vernehmung des Hans-Böckler-Mitarbeiters über Spenden an diese Stiftung kam gestern eine andere Pikanterie aus dem Versorgungsunternehmen ans Tageslicht. Die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat müssen einen Teil ihrer Aufsichtsratsbezüge an die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler- Stiftung abführen, das ist Gewerkschafts-Beschluß und die Gewerkschaft kontrolliert die Einhaltung der solidarischen Sitte. In den Jahren 1982 bis 1987 waren die Tantiemen 4.500 Mark, die Böckler-Stiftung erhielt davon jeweils 600.-Mark. Die Bremer Stadtwerke allerdings waren so frei, ihrer Arbeitnehmer-Bank „zusätzlich diejenigen Mittel“ zu erstatten, die die an die Hans-Böckler- Stiftung zu erstatten hatten — „600 Mark pro Person und Jahr“. 1988 werden die Aufsichtsrats-Vergütungen erhöht — auf 12.000 Mark für den Vorsitzenden, 6.000 Mark für einfache Mitglieder. Die Bemerkung über die zusätzliche Zahlung wegen der Hans-Böckler- Überweisungen fehlt in den Prüfberichten — warum, kann der langjährige stellvertretende Aufsichtsrats-Chef Willipinski vielleicht auch erklären. Klaus Wolschner