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Grüne Reise in den bosnischen Krieg

Gerd Poppe und Vera Wollenberger besuchen mit einer Delegation Bündnis 90/Die Grünen das Kriegsgebiet / Sie fordern Sicherung der Zufahrtswege durch UNO-Truppen  ■ Von Erich Rathfelder

Berlin (taz) – „Vor einer Woche sind wir erst losgefahren, mir kommt es vor, als seien es zwei Jahre“, seufzte der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Gerd Poppe auf dem Rückflug von Split nach Berlin. Und auch andere Teilnehmer der Delegation stimmten zu. Für Vera Wollenberger führten die gemachten Erfahrungen „zu dem Willen, nicht nachzulassen in unserem Engagement für die Opfer dieses Krieges.“ Doch auch zu der bangen Frage der Bremer Bürgerschaftsabgeordneten Marieluise Beck, wie diese Erfahrungen den zu Hause gebliebenen ParteifreundInnen zu vermitteln seien.

In dem 180 km von Split entfernten Tomislavgrad war der Krieg schon näher gerückt: die Unerbittlichkeit, die der Krieg erzeugt, waren aus einem Gespräch mit dem Kommandeur der kroatisch-westherzegowinischen Armee, Željko Šiljec, zu erfahren: der Kampf der bosnischen Kroaten gegen die ehemals verbündete bosnische Armee entspringe dem Umstand, daß mit der Vertreibung der moslemischen Bevölkerung aus Ostbosnien viele Flüchtlinge in das Zentralbosnien kämen, so daß die demographische Zusammensetzung in der Region, die „nach dem Vance Owen Plan uns zugesprochen ist“, sich zu Ungunsten der Kroaten verändere.

Daß zynische politische Aussagen ihre praktisch-blutige Konsequenz haben, wurde deutlich an dem Weg, der ins Landesinnere führt. Die Holperpiste ist die einzige Verbindung nach Zentralbosnien, also in das Gebiet, das noch von der bosnischen Regierung kontrolliert ist und wo über 1,5 Millionen Menschen leben. Die Straße dorthin kann jedoch von den kroatisch-westherzegowinischen Truppen HVO abgeriegelt werden. „Seit zwei Monaten sind hier keine Konvois mehr durchgekommen, die UNHCR, die Hilfsorganisation der UNO selbst kann nur 20 Prozent der benötigten Lebensmittel liefern“, erklärten UNO-Vertreter in der zwischen Muslimanen und Kroaten geteilten Stadt Gornji Vakuf. „Wenn das so weitergeht, wird die Hungersnot bald Tote fordern.“

Das menschliche Leid wurde faßbar in den Kampfgebieten, in den Ruinen von Vitez und des Dorfes Ahmici, wo am 16. April die moslemsiche Bevölkerung massakriert worden ist. Von der Straße aus ist das Dorf zu sehen, die ausgebrannten Häuser, die Moschee, an deren Tür der Imam von „Christen“ gekreuzigt wurde. Und auch in den Gesichtern der bosnischen Armeeposten, die im Gegensatz zu den Erfahrungen der Vorausdelegation von vor vier Wochen, unfreundlich daherblickten. Die Enttäuschung, so der Bürgermeister und die Repräsentanten der unterschiedlichen Parteien und Nationalitäten in der von der bosnischen Regierung kontrollierten Stadt Zenica, die Enttäuschung über die mangelnde Hilfe durch den Westen führt nun auch hier zu Problemen mit der Disziplin. Die Menschen können nicht verstehen, daß sie, die weiterhin am Ideal der multikulturellen Gesellschaft, der Bürgerrechte festhalten, von allen verlassen werden. In sozialen Einrichtungen, in Waisen- und Krankenhäusern kann die Delegation erfahren, daß „hier alle gleich behandelt werden“, so der ehemalige Bundestagsabgeordnete Uli Fischer. Und in dem von Spendengeldern der Frauenbewegung errichteten Frauenhaus in Zenica können sie sich nach Erzählungen betroffener Frauen überzeugen, daß die Vergewaltigungen, daß die Erniedrigungen gerade gegenüber bosnischen MuslimanInnen anhalten. „Europa“, so die Erkenntnis von Gerd Poppe auf einer Pressekonferenz in Zenica, „stirbt hier in Bosnien. Denn hier wird Europa verteidigt mit seinen Werten. Wenn Europa den Menschen nicht hilft, dann gibt es sich selbst auf.“

Immerhin wurde der Besuch als ein solches Zeichen angesehen. Die Reden der Delegation wurden im Rundfunk übertragen, das Angebot des Abgeordneten der thüringischen Stadt Nordhausen, Peter Braun, eine Städtepartnerschaft mit der bosnischen Stadt Visoko einzugehen, freundlich aufgenommen. Doch der Hinweis, daß dieses Zeichen verpuffen könnte , wurde ebenfalls deutlich ausgedrückt: in zwei Monaten wäre der Hunger allgemein.

Die Isolierung Bosniens zu durchbrechen, durchzog die Gespräche der Delegation. Und als auf dem Rückweg eine Kolonne von über 350 Lastwagen aus Tuzla, die Lebensmittel nach Ostbosnien bringen wollten, an einem Kontrollpunkt der kroatischen HVO aufgehalten wurde, beschloß die Delegation, beim Präsidenten der selbsternannten Republik „Herceg-Bosna“, Mate Boban, selbst zu intervenieren. Und der versprach auch, „obwohl die bosnische Armee den Krieg gegen uns führt“, den Konvoi durchzulassen.

Die Forderung zu erheben, die Zufahrtswege nach Zentralbosnien zu eröffnen, stimmten am Ende alle Teilnehmer der Delegation, auch der baden-württembergische Vorsitzende der Grünen, Winfried Hermann zu. Und auch eine Erweiterung des Mandats der UNO zu fordern, den Weg mit Gewalt zu sichern. „Sonst bleibt nur, das Waffenembargo gegen Bosnien aufzuheben“, erklärte Petra Morawe, die ebenfalls auf der Reise dabei war.

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