UNO schützt Konvoi für Tuzla

Der Treck von 500 Lkws für Ostbosnien wird jetzt von UNO-Panzern geschützt / Tote nach Angriffen kroatischer Zivilisten und Milizionäre  ■ Von Erich Rathfelder

Berlin (taz) – Erstmals in der Geschichte des Krieges in Bosnien haben UNO-Truppen ihr Mandat erweitert und einen privaten Hilfskonvoi vor Angriffen geschützt. Am Donnerstag wurde der „Konvoi des Leidens“ aus über 500 Lastwagen für Tuzla am Donnerstag bei Novi Travnik von kroatischen Zivilisten und Milizionären angegriffen, acht Fahrer wurden ermordet. Seit gestern will die UNO nicht mehr untätig bleiben. Nach erneuten Angriffen schossen UNO-Panzer zurück. Drei kroatische Milizionäre verloren dabei ihr Leben.

Der Konvoi ist das letzte Aufgebot der Stadt Tuzla in Ostbosnien. Weil seit zwei Monaten außer einigen Lieferungen der Uno-Hilfsorganisation UNHCR keine Lebenmittel mehr nach Tuzla gelangt waren, hatte sich der Stadtrat schon vor mehreren Wochen entschlossen, selbst tätig zu werden und mit den Lastwagen bei Hilfsorganisationen Lebensmittel und Hilfsgüter in der dalmatinischen Stadt Split abzuholen.

Vor einer Woche hatte sich der Treck in Bewegung gesetzt. Auch einige Fahrzeuge privater Hilfsorganisationen schlossen sich an, so daß mehr als 500 Fahrzeuge zusammenkamen und in Richtung Zentralbosnien aufbrachen. Wie die taz schon am Mittwoch berichtete, wurde ein großer Teil des Trecks von den kroatisch-bosnischen Armee HVO zwischen Prozor und Gornji Vakuf aufgehalten. Immerhin gelang es der aus Zentralbosnien zurückkehrenden Delegation der Grünen, unter ihnen die Bundestagsabgeordneten Vera Wollenberger und Gerd Poppe, am Dienstag bei dem Präsidenten der selbsternannten Republik Herceg-Bosna die Erlaubnis zur Weiterfahrt den Konvois zu erreichen, vorausgesetzt, ein Waffenstillstand würde in Travnik geschlossen sein. Mate Boban lehnte allerdings jegliche Verantwortung für das Schicksal des Konvois ab, obwohl er Befehlshaber der HVO- Truppen ist.

Mit der Verschärfung der Kämpfe in Travnik und der Flucht Tausender Kroaten aus Travnik wurde die Stimmung der kroatischen Bevölkerung der Region angeheizt. Vor allem in Novi Travnik, der Nachbarstadt Travniks, die der Konvoi passieren mußte, herrschte Unmut über den „Mudjaheddin- Konvoi“, obwohl die Fahrer des Konvois nicht nur Muslimanen sind. Auch Kroaten und Serben der Region Tuzla machten bei dem Konvoi mit. Schon einige Tage zuvor war es an diesem Kontrollpunkt der HVO an der Straßenkreuzung Travnik/Vitez zu einem Massaker an bosnischen Gastarbeitern aus Österreich und Deutschland gekommen, die nach Zentralbosnien zurückkehren wollten. Ihre drei Busse wurden zerschossen, über ein Dutzend Tote und einige Dutzend Verwundete waren zu beklagen. „Spätestens zu diesem Zeitpunkt war es den in Vitez stationierten UNO- Truppen klar, daß bei der Ankunft des über 10 Kilometer langen Konvois eine große Gefahr für Leib und Leben der Fahrer besteht“, erklärte der UNPROFOR-Sprecher aus Vitez, Miles, gegenüber der taz. „Wir haben sie gewarnt.“

Am Donnerstag abend versperrten kroatische ZivilistInnen und Milizionäre dem Konvoi den Weg und gingen auf die Fahrer los. Zunächst wurden einige der Fahrer verprügelt, später wurde auch geschossen, acht Fahrer haben nach den bisherigen Berichten ihr Leben verloren. Erst mit dem Auftauchen von acht Warrior-Panzern der britischen UNPOFOR—Truppen löste sich die Menge auf.

Angesichts dieser Situation entschloß sich die Führung der UNO- Truppen in Bosnien, den Konvoi am Freitag durch Warrior-Panzer zu sichern. Es kam auch zu Zwischenfällen, Kroaten plünderten weitere Fahrzeuge und töteten einige der Fahrer, bis die UNO- Truppen erneut eingriffen. Nach einem Schußwechsel wurden kroatische Heckenschützen vertrieben, drei von ihnen wurden getötet. Der Konvoi wird jetzt in kleineren Gruppen von Fahrzeugen und von Warrior-Panzern der UNO begleitet Richtung Zenica gebracht.