: Eleganter Abgang von der Anklagebank
co op-Prozeß: Bernd Otto zu viereinhalb Jahren verurteilt / Haftbefehl aufgehoben / Der Meister im Kungeln wurde lediglich wegen des privaten Griffs in die Geschäftskasse verurteilt ■ Von Donata Riedel
Berlin (taz) – Wer die eigene Position nicht durchsetzen kann, muß verhandeln. Und wenn sich das schwierig gestaltet, bespricht man die Knackpunkte am besten in aller Ruhe beim Bier. Aus dieser Erkenntnis schuf der ehemalige Färbergeselle Bernd Otto den co op-Konzern, jenes undurchsichtige Konglomerat aus zuletzt 300 in- und ausländischen Firmen, das letztlich nur noch einem Zweck diente: die wahren Eigentumsverhältnisse im Gewerkschafts-Konzern zu verschleiern.
Eben jene Meisterschaft im Kungeln verhalf dem 53jährigen gestern in Frankfurt auch zu einem – mit viereinhalb Jahren Gefängnisstrafe – eleganten Abgang von der Anklagebank im größten Wirtschafts-Strafprozeß der deutschen Nachkriegsgeschichte. Denn spätestens nach dem Geständnis seines einstigen Vorstandssekretärs Hans Gitter im August 1992 war Ottos Maximalposition (die Anklage gegen ihn sei „ein schlechter Scherz“) nicht mehr glaubwürdig.
Also verhandelte sein Verteidiger Rudolf Karras mit Staatsanwalt Heinz Klune darüber, daß Otto nicht mehr bis Ende 1994 neben dem früheren co op-Aufsichtsratschef Alfons Lappas auf der Anklagebank sitzen und der Staatsanwalt gerne das Geständnis eines der Hauptangeklagten hören wollte. Dafür, daß der Staatsanwalt sich bereit erklärte, die Anklagepunkte Bilanzfälschung, Dividendenuntreue und Prospektbetrug fallen zu lassen, bekam er von Otto eine Aussage, die sich als Geständnis werten ließ: Er, Otto, übernehme die Verantwortung dafür, daß während seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender knapp 20 Millionen Mark „anderen als den unmittelbaren Geschäftszwecken zugeführt“ wurden.
Der Wirtschaftsstrafsenatsvorsitzende Gernot Bokelmann richtete seinen Spruch nach den Absprachen zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen Untreue in drei besonders schweren Fällen fünf Jahre und drei Monate beantragt, die Verteidiger plädierten für eine Strafe zwischen 42 Monaten und vier Jahren.
Den Ottoschen Ablaßhandel hatte auch die Verteidigung des Angeklagten Lappas nicht verhindern können, die vergangene Woche „förmlichen Widerspruch“ eingelegt hatte: Es gehe um einen Schaden von 2,6 Milliarden Mark, die man nicht einfach vergessen könne angesichts eines Geständnisses über 20 Millionen.
Otto hat es somit geschafft, nur für den Griff in die Geschäftskasse zu eigenen Gunsten bestraft zu werden und nicht für jenes ruinöse Geschäftsgebahren, das die co op von einem Konzern mit 48.700 Beschäftigten, zwölf Milliarden Mark Jahresumsatz und 2.200 Filialen auf eine Restfirma schrumpfen ließ, in deren 840 Filialen heute nurmehr 18.500 Menschen arbeiten. Nebenbei verloren 150.000 KleinaktionärInnen ihr in co op- Aktien angelegtes Vermögen, und 140 Gläubigerbanken mußten die erwähnten 2,6 Milliarden Mark Schadenssumme abschreiben.
Sinn und Zweck der Machenschaften waren neue Möglichkeiten, nach dem Neue-Heimat-Skandal neues Geld von den Banken für die Gewerkschaftskonzerne zu bekommen. Dieses Problem gingen 1984 Otto, Lappas und der mitangeklagte Ex-Vorstand Dieter Hoffmann in einer Kungelrunde namens „Arbeitskreis zur Umgestaltung der Gesellschafterverhältnisse bei Coop“ an – für das Bundeskriminalamt eine „kriminelle Vereinigung“.
Damals waren offiziell 49 Prozent der co op-Aktien im Eigentum der gewerkschaftseigenen Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft AG (BGAG). Tatsächlich gehörten ihr über die Tarnfirmen GfH und Skan fast alle co op- Aktien. GfH und Skan hatten ihre Aktienpakete mit Krediten von der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG), die zu 90 Prozent der BGAG gehörte, bezahlt. Der „Arbeitskreis“ verabredete laut Anklage, daß die co op die Tarnfirmen, also ihre eigenen Aktien, kaufte und deren Schulden bei der BfG bezahlte. Über eine weitere Untergesellschaft sollte dann die BGAG die übrigen co op-Aktien ebenfalls an die co op verschieben.
Zahlen mußte für alles die co op, mit Geld, das sie nicht hatte. Um kreditwürdig zu sein, mußte sie Gewinne „machen“ (Bilanzfälschung) und Dividenden zahlen (Dividendenschädigung). So wurde schließlich der Schweizer Bankenverein überzeugt, co op- Aktien an die Börse zu bringen (Prospektbetrug). Dafür verantworten müssen sich jetzt im Hauptverfahren, das am Mittwoch weitergeht und bis Ende 1994 terminiert ist, neben Lappas die früheren co op-Vorstände Dieter Hoffmann und Michael Werner sowie die ehemaligen Direktoren Klaus- Peter Schröder-Reinke und Norbert Lösch. Nach Ottos Erfolg darf gewettet werden: Welcher Verteidiger sitzt als nächster mit dem Staatsanwalt beim Äbbelwoi?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen