: Heirat, Trennung, Abschiebung
■ Ehemalige Betreiberin des Tropical Brasil: Früher von der Society hofiert, heute von der Ausländerbehörde schikaniert n Von Kaija Kutter
Und Tschüß! Tania Formenti-Wittneben soll bis zum 5. Juli die Bundesrepublik verlassen. Grund: sie lebt von ihrem Ehemann getrennt, der Aufenthaltszweck „verheiratet sein“ ist somit beendet. Als kulturelle Bereicherung für diese Stadt war die Brasilianerin ein gern gesehener Gast. Als schwer an Rheuma (Polyarthritis) erkrankte Frau ist die Mutter von drei Kindern nur noch ein Fall für die Paragraphen des Ausländergesetzes. Demnach haben nicht-deutsche Frauen erst nach vier Ehejahren ein eigenständiges Aufenthaltsrecht.
Fotos auf dem schwarzen Klavier in ihrer Billstedter Wohnung erinnern an das Tropical Brasil, die kleine Musikkneipe am Spielbudenplatz, die sie zwei Jahre lang betrieben hat: „Das Tropical Brasil war einfach etwas anderes“. Von Montag bis Montag habe sie durchgearbeitet, Reggae, Salsa, Brasilianische Musik, jeden Abend eine andere Band engagiert. Anschließend gab es Tanz , dann nach Hause, die Kinder wecken, der jüngste war damals drei Jahre alt.
„Ich ging im Oktober nichtsahnend zur Ausländerbehörde, wollte meine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung beantragen“, erinnert sich die Lateinamerikanerin. Da lebte die 48jährige seit über fünf Jahren in Deutschland. Was sie nicht wußte: Seit ihrer Heirat wurde die Zeit ihres Aufenthaltes neu gezählt. Die zierliche Frau schweift immer wieder ab, schwärmt von der „tollen Zeit“. „Da sind soviele Menschen zusammengekommen“: Professoren, Ärzte, Journalisten, der Dealer von nebenan und zu jedem Gast habe sie Kontakt gehabt.
Der gläserne Pavillon wurde abgerissen - zum 800. Hafengeburtstag sollte der Spielbudenplatz sauber sein. Bis heute ist er eine unbenutzte Sandfläche geblieben. Tania: „Es war für mich schwer zu begreifen, daß das Brasil wirklich weg war.“ Ersatzräume wurden gefunden, 500 Meter weiter in einem Kellergewölbe an der Kleinen Freiheit. „Ich bin da kurz drin gewesen“, erinnert sich Tania. „Aber das war nicht mehr das alte. Meine Energie war weg.“
Dann habe sie sich verliebt, geheiratet, den Doppelnamen zugelegt. Das Eheglück hielt nicht ewig. Tania Formenti-Wittneben wurde krank, kann wegen eines schweren Rheumaleidens ihre Hände nicht mehr richtig bewegen. Sie ist nicht geschieden, aber ihr Ehemann wohnt nicht mehr bei ihr. Ihre Privatsache? Nein. Ein Umstand, der den Sachbearbeitern in der Amsinckstraße nicht entgeht. Deutsch-nichtdeutsche Ehepaare, so schreibt es das Gesetz vor, müssen auch zusammen wohnen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty for Women fordert schon lange ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht für nicht-deutsche Frauen vom ersten Tag der Ehe. So bleibt doch zum Beispiel geschlagenen Ehefrauen nichts anderes übrig, als aus den Frauenhäusern wieder und wieder zu ihren Männern zurückzukehren - nur um den Aufenthaltsanspruch nicht zu verlieren.
Tania Formenti sieht sich selbst als starke Frau, als „Multitalent“. Eigentlich wollte sie in Deutschland Mode machen, aber die Handwerkskammer hatte ihr die Eröffnung eines Ladens nicht erlaubt. Nach einer Besserung ihrer Krankheit hätte sie durchaus neue Ideen für ihre berufliche Zukunft in Deutschland. Am 6. Mai kam die Ausweisungsverfügung mit der Post. Am selben Tag wurde ihr 14jähriger Sohn bei einem Autounfall so verletzt, daß er zeitweilig querschnittsgelähmt war. Sie hat den Ausschnitt aus der Mopo aufgehoben, neben zahlreichen Attesten, Bittschriften, Verfügungen. Ein Anwalt ist eingeschaltet, hat Widerspruch gegen die „sofortige Vollziehung“ eingelegt, mit deren Hilfe die Ausländerbehörde Frau Formenti schnell loswerden wollte. Ihr Anwalt ist eigentlich Strafrechtler, hat in letzter Zeit aber „viele Ausländergeschichten“ auf den Tisch bekommen.
Tania Formenti ist kein Einzelfall. Nervös sitzt sie auf der Sofakante. Was ist, wenn sie weg muß? Drei Wochen Frist noch und ihr Sohn ist nicht reisefähig? Nein, sie läßt ihre Kinder nicht hier. „Ich gehe nicht ohne sie weg.“ Vier Atteste und ein Brief vom Konsulat liegen der Ausländerbehörde vor, und sie habe bis heute nichts gehört.In der Amsinckstraße ist man natürlich klüger. Die Sache mit dem kranken Kind wird geprüft, die Ausreisefrist vielleicht verlängert, sagt Behördenreferent Horst Smekal. Mehr liege dann aber nicht mehr drin.
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