: Der Kürbis trifft nicht
■ Die Chicago Bulls gewinnen das vierte NBA-Finale dank 55 Punkten von Michael Jordan 111:105 gegen die Phoenix Suns
Berlin (taz) – Eins haben die Chicago Bulls und die Phoenix Suns zumindest gemeinsam: Ihre Shooting Guards betreiben Restaurants. Doch während das von Michael Jordan allein durch die Popularität seines Namensgebers seit seiner kürzlichen Eröffnung immer gut gefüllt ist, benötigt Dan Majerle schon die tatkräftige Mithilfe seines Teamkollegen Charles Barkley, um den Laden voll zu kriegen. Den findet man abends vornehmlich im „Majerle's“, wo er oft bis zur Sperrstunde die Gäste im Alleingang bei Laune hält. In Phoenix gehen Gerüchte, daß, wenn Barkley für Speis und Trank zahlen müßte, Majerle mehr Geld mit seinem Restaurant machen würde, als er als Profi verdient.
Doch damit hören die Gemeinsamkeiten schon auf. In der Final- Serie der NBA trifft mit Phoenix die beste Offensiv-Mannschaft der regulären Saison auf Chicago, die nach dem New York Knicks die zweitbeste Defensive spielten. Während die Suns ein relativ ausgeglichenes Team stellen, das seine Grundpositionen klar verteilt hat, gruppieren sich die Bulls um den Superstar Michael Jordan, der notfalls alles spielt vom Point Guard bis zum Center. Doch die bisherigen Play-offs haben wieder einmal gezeigt, daß Chicago nur gewinnen kann, wenn neben Jordan auch noch andere einen guten Tag erwischen, und das taten die beiden Forwards Scottie Pippen und Horace Grant bisher fast ständig.
Und trotzdem geschah dann Spiel drei, in dem Jordan zwar 44 Punkte machte, aber dafür 43 Versuche benötigte. Und obwohl Pippen bis zu seinen Wadenkrämpfen gut spielte und auch Grant wieder einmal seine schon beängstigende Wurfsicherheit aus der Halbdistanz demonstrierte, verloren die Bulls in der dritten Verlängerung und der 2:0-Vorsprung, den sie aus Phoenix mitgebracht hatten, war plötzlich nur noch die Hälfte wert. Majerle hatte bei acht Versuchen sechs Dreipunkte-Würfe getroffen und erstmals die Befürchtungen von John Bach, Assistenz-Coach der Bulls und zuständig für die Defensive, erfüllt: „Davor hatten wir am meisten Angst. Majerle bekommt einen Lauf und trifft fünf oder sechs Dreier. Er hat drei Spiele gebraucht, aber er hat gezeigt, warum Phoenix in diesem Finale steht und warum wir uns solche Sorgen gemacht haben.“ Nicht umsonst hält Majerle den NBA- Rekord für erfolgreiche Dreier in Play-off-Spielen: Im siebten und entscheidenden Endspiel der Western Conference gegen die Seattle Supersonics traf er achtmal von jenseits der Linie.
Daß die Bulls sich weniger um den „Most Valuable Player“ der NBA, Charles Barkley, sorgten, hatte nur den Grund, daß sie der Meinung waren, daß der sowieso nicht auszuschalten wäre. Auch nicht durch seine Ellenbogenverletzung aus Spiel zwei: Barkley holte im dritten 24 Rebounds und hatte 19 Assists. „Ich wußte, daß dieser Ellbogen Charles nicht stoppen würde,“ meinte Michael Jordan und machte sich so seine Gedanken, wie man die Suns trotzdem schlagen könnte. Als erstes stellte er fest, daß nur ein ganz fieser psychologischer Trick den Erfolg von Phoenix im dritten Spiel möglich gemacht hatte: „Weil Kevin Johnson mich deckte, und der einige Inches kleiner ist als ich, nahm ich alle halbwegs guten Versuche. Ich habe sie bloß nicht reingetan. Aber ich weiß jetzt, daß ich den Ball mehr laufen lassen muß, und nicht noch mal auf diesen Köder reinfallen darf.“
Er fiel wieder drauf rein, aber diesmal tat er sie rein. 55 Punkte erzielte Jordan in Spiel vier, entlockte dem als TV-Kommentator tätigen „Magic“ Johnson ein „Michael, du bist unglaublich“ und die Bulls gewannen 111:105. Das Ergebnis fiel nur so knapp aus, weil Chicago immer wieder durch unnötige Ballverluste und eine miserable Freiwurfquote glänzte. So war es wieder einmal Jordan, der fast im Alleingang die 3:1-Führung in der Serie besorgte.
Und Majerle und Barkley können sich trösten. Sollten sie auch das nächste, wieder in Chicago stattfindende Spiel verlieren, können sie endgültig nach Hause fliegen und es sich im „Majerle's“ bequem machen. Und sich weiter, wie es unter engen Freunden üblich ist, in der Öffentlichkeit beschimpfen. Als man Barkley fragte, was er über Majerle wußte, bevor er nach Phoenix wechselte, antwortete er: „Dasselbe wie jetzt. Daß er ein großer Landkürbis ist.“ Majerles Entgegnung: „Wenn irgendjemand was darüber weiß, wie es ist, ein Kürbis zu sein, dann ist es es dieser Typ aus Leeds, Alabama.“ Thomas Winkler
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