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Südafrika: Verfassungsdisput vorverlegt

■ Zugeständnis an Rechte führt zu Kompromiß der Parteien

Johannesburg (taz) – Die Verfassung des „Neuen Südafrika“ soll festgelegt werden, noch bevor eine verfassunggebende Versammlung gewählt wird. Darauf einigten sich am Mittwoch die 26 Parteien, die an den Demokratisierungsverhandlungen teilnehmen. Nach diesem Beschluß werden die Parteien nicht nur die Grenzen der zukünftigen Provinzen verbindlich festlegen, sondern auch die Machtverteilung zwischen Zentralregierung und Ländern.

Nach dem Beschluß vom Mittwoch stiegen die Hoffnungen, daß das Verhandlungsgremium sich heute endgültig auf den 27. April 1994 als Termin der ersten allgemeinen demokratischen Wahlen in Südafrika festlegen wird. Außerdem wollen die 26 Parteien die Gesetzgebung für eine baldige Übergangsregierung, für die Bildung je einer unabhängigen Wahl- und Medienkommission vorbereiten.

Eine Allianz aus der konservativen Schwarzenbewegung „Inkatha“, den Vertretern mehrerer von Südafrika eingerichteter Homelands, der reformfeindlichen Konservativen Partei und dem rechtsradikalen Bündnis „Afrikaner Volksfront“ hatte während der letzten Wochen jede Vereinbarung blockiert, solange die wichtigsten Verfassungsprinzipien nicht vor den Wahlen festgeschrieben würden. Auch die weiße Minderheitsregierung von Frederik De Klerk beharrte in der Vergangenheit auf diesem Modell. Der Beschluß vom Mittwoch kommt dieser Forderung entgegen. Die Anti-Apartheid-Allianz „African National Congress“ (ANC) gibt sich damit zufrieden, weil erstmals alle Verhandlungsparteien formell den Wahlen zugestimmt haben. ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa feiert den Beschluß: „Die Landkarte für den Weg zur Demokratie wurde angenommen.“ Erfolge im südafrikanischen Verhandlungsprozeß sind so selten, daß selbst kleine Fortschritte bejubelt werden. Dabei ist die „Landkarte“ keineswegs eine Garantie dafür, daß der „Weg zur Demokratie“ ohne Verirrung beschritten wird. Denn die 26 Parteien machten um die strittigsten Fragen wieder einmal einen großen Bogen. Die Reformgegner verlangen weitgehende Autonomie der Provinzen und könnten die Gespräche in den kommenden Tagen erneut sabotieren. Der ANC will durch eine starke Zentralregierung verhindern, daß auf regionaler Ebene Apartheid-Strukturen fortbestehen. Außerdem ließe sich nach ANC-Meinung so eine Balkanisierung Südafrikas verhindern.

Regierungsvertreter Roelf Meyer hofft, daß eine sogenannte „Übergangsverfassung“ bereits bis Mitte August stehen könnte. Trotz ihres provisorischen Namens dürfte sie die Geschicke Südafrikas in der Praxis bis zum Ende dieses Jahrtausends bestimmen. Denn wichtige Punkte, wie etwa das Regionalismus-Prinzip, können von der gewählten verfassunggebenden Versammlung nicht mehr angetastet werden. Andere Verfassungartikel werden nur mit einer noch festzulegenden speziellen Mehrheit veränderbar sein.

Hintergrund dieser frühen Fesselung einer noch zu wählenden verfassunggebenden Versammlung ist die Furcht von amtierender Regierung und Reformgegnern vor der Wählerentscheidung. Inkatha, Homelandvertreter und die Konservative Partei rechnen sich auf nationaler Ebene wenig Aussichten auf Erfolg aus und wollen ihre politische Zukunft darum wenigstens regional absichern. Die Regierung will verhindern, daß eine zukünftige ANC-Mehrheit zu viele Befugnisse erlangt. Pretoria vereinbarte aber schon Anfang Februar mit der Anti-Apartheid-Allianz, daß die per Verhältniswahlrecht zu bestimmende verfassunggebende Versammlung bis zum Ende dieses Jahrtausends als Parlament dienen wird. Die dortigen Mehrheitsverhältnisse sollen als Grundlage für die Zusammensetzung einer Regierung der Nationalen Einheit dienen. Willi Germund

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