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Der Vergleich mit den Hofnarren

■ betr.: "Kaffeefahrt in die schöne neue Zukunft", taz vom 30.6.93

betr.: „Kaffeefahrt in die schöne neue Zukunft“, taz vom 30.6.93

Ich finde Ihren Artikel zu den Zukunftsaktivitäten von genannter Tabakfabrik wirklich sehr gut... Aber sind wir ihnen damit nicht schon auf den Leim gegangen, den Werbestrategen: Eine ganze kostbare taz-Seite für Ossi und seine Harmlosigkeiten? Was kostet die Seite taz als Werbeträger: 11.000 DM, 12.000 DM? Genau das tut Sponsoring: Tu gutes und sprich darüber, und wenn du mit PR deinen Werbeetat entlasten kannst, dann um so besser.

Der Vergleich mit den Hofnarren, die sich die großen Firmen heute leisten, stimmt sicher: Sie hören dann auf, zu fördern und zu zahlen, wenn das kritische Potential in einem Menschen oder einem Projekt zu groß wird. Ossis und Morris' Zukunftsentwurf erscheint denn auch recht harmlos und hebt sich in sich auf. Fashion mit ihrem immensen Verbrauch an Tuchen, damit Baumwolle, Schafe, Böden, Pestizide, chemische Ausrüstchemikalien; High Tech mit seinen wahnsinnig teuren, geheimen, reinen und energieintensiven Herstellungsprozessen (gilt im übrigen auch für Photo-Voltaik), Stadtbegrünung von unten, schön billig und ganz im Sinne der Grundstückskapitalverwertungslogik (was für ein Wort), ein Pilotprojekt, das den ganzen Stadtteil aufwertet und natürlich Drogen: elektronische wie Cyberspace und Starrummel und all die netten Bubis und Häschen in wahnsinnig kreativen Multiplikatorjobs, die statt teuren Modells genauso fotogen die Plakatwände und Kinoleinwände zieren werden.

Jeder einigermaßen normale Mensch reagiert heute auf die meiste Werbung sauer, fühlt sich um seine Zeit betrogen oder schlicht verarscht. Hier ist die Werbeform der Zukunft: Interessant und preiswert, Rauchen ist immer noch ein Erlebnis, und Raucher sind unglaublich interessante, tolerante und fortschrittliche Leute, sofern es die richtige Marke ist.

Die Steuyvesant-Kampagne ist eine ähnlich geschickte Manipulation: Mit dem in der Bevölkerungsmehrheit verankerten Toleranzgedanken wird über die Marke, das Produkt, um Toleranz nicht für Ausländer oder andere Ethnien geworben, sondern für Toleranz gegenüber den Rauchern, denen nicht nur in USA der Boden zu heiß wird. [...] Samuel J. Fleiner,

Langenzell/Baden

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