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Schewardnadse in Suchumi umzingelt

■ Der georgische Präsident entging nur knapp einem abchasischen Granatenangriff auf sein Hauptquartier

Suchumi/Moskau (AFP/dpa/ taz) – Abchasische Truppen haben in der Nacht zum Freitag eine Offensive gegen die von georgischen Truppen gehaltene Gebietshauptstadt Suchumi begonnen. Nach abchasischen Angaben eroberten sie ein Kraftwerk im Norden der Stadt, das Suchumi mit Energie versorgt. Von Stellungen im Süden sei der Flughafen angegriffen worden. Nach georgischen Angaben wurden zwei Angriffe auf Suchumi erfolgreich abgewehrt. Dabei seien etwa 50 Abchasier getötet worden. Ein abchasischer Landeversuch vom Schwarzen Meer her sei ebenfalls verhindert worden. Dennoch sprach das georgische Militär von einer „entscheidenden Phase“ im Kampf um Suchumi.

Die britische BBC berichtete gestern, mehrere Granaten seien in das Hauptquartier des georgischen Präsidenten Eduard Schewardnadse eingeschlagen. Er hält sich seit mehreren Tagen in Suchumi auf und will dort „bis zum Ende“ ausharren. Zum Zeitpunkt des Angriffs sei Schewardnadse allerdings nicht in dem Gebäude gewesen.

Schewardnadse hatte am Donnerstag Moskau erneut beschuldigt, den Konflikt zu schüren. „Es gibt in Rußland reaktionäre Kräfte, die den Krieg wollen“, sagte er. Das Parlament in Tiflis bestätigte unterdessen das Kriegsrecht, das Schewardnadse am Dienstag über Abchasien verhängt hatte.

Die abchasisch-georgischen Friedensverhandlungen unter russischer Ägide in Moskau sollten gestern nachmittag nach Angaben des georgischen Vertreters Alexander Kawsadse wiederaufgenommen werden. Ein Durchbruch ist eher unwahrscheinlich. Hauptproblem ist die abchasische Forderung nach einem vollständigen Abzug aller georgischen Truppen aus der Region, die Kawsadse als „absurd“ bezeichnete. Sein Vorschlag lautet: beiderseitiger Truppenabzug mit Ausnahme einer georgischen und einer abchasischen Einheit. Ferner solle der geplante Waffenstillstand durch UN-Beobachter überwacht werden. Die UNO will dies nur auf Grundlage eines stabilen Waffenstillstands tun.

Die gleiche Forderung wie Abchasien – Abzug aller georgischen Truppen – erhob auch die selbsternannte „Konföderation der Bergvölker im Kaukasus“. Ihr militärischer Führer Schamil Basajew drohte Georgien mit der Eröffnung einer „dritten Front“ entlang der gesamten Grenze. Im abchasischen Hauptquartier in Gudauta trafen nach Angaben aus Tiflis auch wieder Guerillakämpfer aus dem zu Rußland gehörenden Nordkaukasus ein. Ein Beleg für die russische Unterstützung der abchasischen Rebellen, so die georgische Version.

Der Kampf um die autonome Republik am Schwarzen Meer, wo der Georgier Stalin am liebsten Urlaub machte, brach im vergangenen Juli aus, als das Parlament der Gebietshauptstadt Suchumi die Trennung von Georgien beschloß. Daraufhin rückte im August die georgische Nationalgarde ein, um die Region wieder unter die Kontrolle der Zentralregierung in Tiflis zu bringen. Seit Beginn der Kampfhandlungen in dem von Georgiern, Russen, Abchasen und Armeniern besiedelten Gebiet kamen über tausend Menschen ums Leben.

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