: Redaktionstörtchen
■ Klatsch, Kunst, Lifestyle, Carpaccio, Capuccino: Sandrine Bonnaire, Beate Klarsfeld und ihr Treffen mit der Zeitschrift „Prinz“
Manche Leute essen Schwarzbrot, andere stehen mehr auf Törtchen. Geschmackssache. Die Zeitschrift Prinz jedenfalls, vom Veranstalter der Französischen Filmtage zu Tübingen mit der Herausgabe eines „Festivalbulletins“ beauftragt, liebt das süße Leben. Große Teile des Bulletins mit dem schönen Titel „Ce Soir“ wurden deshalb von einer als „Redaktionstörtchen“ und „Sozia im Harley- Sattel“ vorgestellten Mitarbeiterin namens Alexandra M. Schmidt bestritten. Beim Ausmisten nach Ende des Festivals fiel uns jetzt wieder jenes unvergängliche Interview in die Hände, das Alexandra M. Schmidt mit der Schauspielerin Sandrine Bonnaire führte.
Sandrine Bonnaire hat in Patrice Lecontes berühmtem Film die Frau gespielt, die der kontaktgestörte „Monsieur Hire“ vom Fenster der gegenüberliegenden Wohnung aus beobachtet und die ihm zum Material für seine Phantasien dient. Unser Redaktionstörtchen kann das natürlich nicht wissen. Denn auch sie phantasiert manisch drauflos: „Ein fesselndes Lächeln auf den Lippen streckt sie einem die Hand entgegen, ganz so, als sei man sich schon in einem Straßencafé in Paris begegnet. Oder in New York.“
Paris, New York, nicht schlecht. „Mit keck-geblümtem Kleid klackst sie beim Edelitaliener eine Butterlocke auf ein Miniaturbrötchen... Mit der von Filmkritikern und französischen Gazetten reihenweise bescheinigten Natürlichkeit ordert sie in rustikalem Italienisch ihr Carpaccio.“ Das ist gut, unschlagbar fast. Zwar weiß man nicht so recht, wie man mit dem Kleid die Butterlocke klacksen soll (wir würden eher das Messer nehmen) – aber: keck geschrieben, wie das bei Prinz, dem filmkritischen Fachmagazin für den juvenilen Einzelhandel, so üblich ist.
Nun geht's in die Tiefe: „Stille Wasser sind tief, Sandrine Bonnaire ist tiefer.“ Sandrine, „der heiß- kalte Engel“: „ohne auf die Etikette zu achten, stützt sie sich elegant mit dem Ellenbogen auf die Tischkante, wickelt ein Scheibchen Rindfleisch um die Gabel und blickt kauend in die Vergangenheit.“
Wir machen an dieser Stelle ein Geständnis: Auch wir blicken so manches Mal kauend in die Vergangenheit, täglich sogar; und oftmals sind unsere Gedanken dabei zu der Frage abgeschweift, ob wir wohl morgen – ja, kauend in die Zukunft geblickt! – auch noch etwas zum kraftvollen Zubeißen haben werden. Nie aber hatten wir dabei einen so sensiblen Wiederkäuer an unserer Seite wie Alexandra M. Schmidt, die eine facettenreiche Beobachtung nachschiebt: „Während der frankophile Kellner den filetierten Fisch, das extra Besteck, die passende Kräutersauce und den gemischten Salat zwischen ihren nackten Oberarmen aufbaut, verrät die zierliche Person, keinen ihrer Filme mit Bedauern anzuschauen.“ Kein Bedauern! Schließlich sind wir beim offiziellen Festivalmagazin.
Während des weiteren filmkritischen Austauschs wird nun „mit spitzen Fingern ein Salatblatt“ geangelt und der „Träger des Sommerkleids über die Schulter“ gestreift. „Typisches Pariser Geplänkel über das Filetsteak läßt ein Lächeln über ihre Lippen huschen... Denn die Dreharbeiten haben auch ihr Verhältnis zur Bibel verändert.“ Bibel, Filetsteak, Schulter, Geplänkel – alles da. Das ist Rekord. Sandrine Bonnaire ist nun satt (und offenbar leicht genervt). Alexandra M. Schmidt resümiert: „Stirnrunzelnd lehnt sie sich zurück und legt die kleine Hand auf den gutgefüllten Bauch.“
Während tags darauf das ganze Festival über den gutgefüllten Bauch spekulierte und der gute Ruf des offiziellen Festivalbulletins sich rasch ausbreitete, hatte das Redaktionstörtchen schon den nächsten Artikel in der Mache. Am folgenden Tag nämlich kam Beate Klarsfeld auf die Filmtage, um über Zivilcourage etc. zu referieren, und Alexandra M. Schmidt stellte sich daraufhin zwangsläufig die Frage, was der Unterschied sei zwischen Sandrine Bonnaire und Beate Klarsfeld?
Hören wir selbst: „Wach sind die Augen, strahlend die Wangen und sanft ist der Druck der kleinen Hand, die 1968 Kanzler Kiesinger eine Ohrfeige verpaßte – so schallend, daß das Echo durch die Weltpresse ging.“
Entschuldigung – aber hatten wir die kleine Hand nicht eben noch auf dem gutgefüllten Bauch gehabt? Und jetzt – Echo, Weltpresse, Ohrfeige? Beate Klarsfeld, „die Ikone der Antifa-Bewegung“, so hören wir bei Alexandra M. Schmidt exklusiv, „wohnt ganz in der Nähe des Bois de Boulogne, wo sie täglich mit ihren beiden Collies spazierengeht...“ Und so geht es weiter, von den Collies zum KZ, von einer Geschmacklosigkeit zur nächsten: „Der nach Bolivien geflüchtete Barbie... entlockt der agilen Alt-Achtundsechzigerin immer noch einige Anekdoten.“
Sind so kleine Hände, waschen sich in Unschuld. Alles fast dasselbe, rinks und lechts, Klatsch und Kunst, Lifestyle und Filmfestival, Schülerzeitung, KZ und Frau im Spiegel, deren reihenweise bescheinigte Natürlichkeit... jenseits der Etikette... ungemein aufregend... Wir brechen hier ab. Und grüßen die Zeitschrift Prinz und ihre Geldgeber. Und äußern einen leicht erfüllbaren Wunsch: Rennt doch mal gegen die Wand. Vielleicht seht ihr Prinzen in Wahrheit ja doch wie echte Knallfrösche aus. Christian Gampert
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