: „Einsatz im Rahmen einer Militäraktion“
■ Interview mit Anke Fuchs, stellvertretende Vorsitzende der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, zum Blauhelm-Einsatz der Bundeswehr in Somalia
taz: Frau Fuchs, muß die SPD- Bundestagsfraktion nicht wieder das Parlament anrufen, wenn heute das erste Teilkontingent deutscher Soldaten in Somalia eintrifft?
Anke Fuchs: Wir haben uns das sehr sorgfältig überlegt, aber es gibt keinerlei Anzeichen für eine veränderte Haltung in den Regierungsfraktionen. Wir würden nur unsere Ohnmacht bestätigen und keinerlei Veränderung erreichen. Wir haben die Bundesregierung allerdings mit Nachdruck aufgefordert, die zuständigen Ausschüsse zu informieren, wie es das Verfassungsgericht und auch der Bundestag in seinem Beschluß vom 2. Juli verlangen. Wenn das alles nicht funktioniert, dann werden wir den Verteidigungsausschuß zur Not eben auch aus der Sommerpause holen.
Müßten die Bundestagsausschüsse sich nicht schon jetzt mit der Lage beschäftigen? Die Situation in Somalia hat sich gegenüber dem Parlamentsbeschluß von vor drei Wochen doch sehr stark verändert.
Wir haben von Anfang an diesen Einsatz in Somalia für falsch gehalten, aus verfassungsrechtlichen Gründen. Jetzt müßte eigentlich in der Logik der Regierungsfraktionen zumindest die FDP zu der Auffassung kommen, daß die Soldaten zurückgeholt werden müssen und weitere nicht dorthin geschickt werden dürfen. Denn es ist nun wohl klar, daß es sich beim Einsatzort der deutschen Soldaten nicht um eine befriedete Region handelt und daß es nicht mehr nur um humanitäre Ziele geht, sondern daß dies ein Einsatz der Bundeswehr im Rahmen einer Militäraktion ist.
Ich wundere mich, daß die FDP stillhält und in der Regierung nicht durchsetzt, daß keine weiteren Soldaten nach Somalia entsandt werden. Aber ich wiederhole: Wir haben im Moment nicht die Mehrheit, etwas zu verändern.
Sie verlangen zudem eine generelle Klärung und Definition der Ziele der Vereinten Nationen in Somalia.
Richtig, es geht ja nicht mehr nur um den innenpolitischen, verfassungsrechtlichen Streit, ob die Bundeswehr außerhalb der Nato- Verpflichtungen und des Bündnisbereichs eingesetzt werden darf. Die Bundesregierung muß sich auch fragen lassen, ob sie nicht längst bei den Vereinten Nationen hätte vorstellig werden müssen, um zu klären, welchen politischen Auftrag UNOSOM II in Somalia hat. Deshalb fordern wir die Bundesregierung seit Tagen auf, endlich bei den Vereinten Nationen auf Klärung zu drängen und bis dahin keine weiteren Soldaten nach Somalia zu schicken.
Können Sie sich unter den bekannten Umständen überhaupt einen sinnvollen Einsatz der Vereinten Nationen in Somalia vorstellen?
Alle Informationen, die ich habe, sagen eigentlich: Das ist eine „No-win-Situation“, eine nicht zu gewinnende Situation. Insofern kann ich mir im Moment eine erfolgreiche, sinnvolle UNO-Aktion kaum vorstellen. Ich will nicht generell sagen, solche Einsätze seien falsch, aber so, wie es sich jetzt in Somalia abzeichnet, ist es höchste Zeit, daß sich die Vereinten Nationen zusammensetzen und fragen: Mit welchen politischen Zielen sind wir dort tätig, wie können wir aus der verfahrenen Situation herauskommen. Das Interview führte Tissy Bruns
in Bonn
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