: „Unter den Top-Zehn“
■ Ein Interview mit St. Pauli-Vizepräsident Christian Hinzpeter
Mit einer 1:2-Niederlage in Homburg startete der FC St. Pauli am Dienstag in die neue Saison der Zweiten Bundesliga. Zum Saisonauftakt ein Gepräch mit Christian Hinzpeter, dem geschäftsführenden Vizepräsidenten des Vereins:
taz: Auf Tabellenplatz Nummer Zwei liegt der FC St. Pauli schon – zumindest, was die Höhe des Etats betrifft. Laut Informationen der Deutschen Presseagentur (dpa) hat der FC St. Pauli diese Saison 8 Millionen Mark eingeplant – nur Hertha BSC gibt mehr Geld aus.
Hinzpeter: Ich weiß nicht wie dpa zu diesen Zahlen gekommen ist. Ich weiß nur aus Gesprächen mit Verantwortlichen aus anderen Vereinen, daß wir mit unserem Etat etwa in der Mitte der Zweiten Liga liegen. Einem Etat übrigens, der es uns erlaubt am Ende der Saison mal keine roten Zahlen zu schreiben, sondern mit plus minus Null abzuschließen.
Es ist vermessen anzunehmen, daß wir in der Zweiten Liga Gewinne erwirtschaften können. Im Zweitligageschäft ist man angewiesen auf jemanden wie Heinz Weisener +– ohne daß man immer die Person meint. Von Vorteil war es, jemanden gefunden zu haben wie den Vereinsschatzmeister und vormaligen Manager der Technikerkrankenkasse, Niewiecky, der in der Lage ist, komplizierte Zahlen so zusammenzufassen, daß sie insgesamt ein Bild davon abgeben, was tatsächlich los ist. Insgesamt sind unsere Kassen immer noch durch den sofortigen Wiederaufstiegsversuch in den Vorjahren strapaziert.
taz: Im Transferbereich wurde aber wieder ein deutliches Minus erwirtschaftet.
Hinzpeter: Obwohl wir uns rechtzeitig um die Verträge gekümmert haben, ist dieses Jahr das Problem da, daß durch den Abstieg von sieben Mannschaften aus der zweiten Liga, ein Überangebot an Spielern vorhanden ist, bei einer deutlich niedrigeren Nachfrage. Daß man in dieser Situation auch seine besseren Spieler, wie etwa Peter Knäbel, nicht richtig los wird, ist leider so. Es wird ganz anders verhandelt. Saarbrücken konnte uns bei der Verpflichtung von Knäbel ebenso zappeln lassen, wie wir Dynamo Dresden im Fall von Dirk Zander.
taz: würde doch immer noch hervorragend in die Mannschaft passen.
Hinzpeter: Er hat uns frühzeitig davon in Kenntnis gesetzt, daß er etwas Neues anfangen will – egal wie es beim FC St. Pauli aussieht. Daher spielte er in unseren Planungen für diese Saison keine Rolle mehr.
taz: Dirk Zander, Markus Sailer wurden zurückgeholt, in der vorigen Saison bereits Joachim Philippkowski. Befindet sich der FC St. Pauli mit seinen Verpflichtungen auf eine Art Nostalgietrip?
Hinzpeter: Bei solchen Spielern weiß man schon bei der Verpflichtung, was man hat. Etwa bei Sailer, da weiß man, daß er schnell laufen kann und auch vor dem Tor den Ball ohne groß nachzudenken, verwerten kann. Das eröffnet Seppo Eichkorn im Sturm wieder viel mehr Variationsmöglichkeiten. Neben relativ gleich spielenden Stürmern wie Martin Driller oder Leonardo Manzi hat Eichkorn jetzt gerade auswärts bei Kontern mehr Möglichkeiten.
Bei Dirk Zander wissen wir, daß er einfach nicht verlieren mag und auch in der Kabine während der Pause mal in der Lage ist durch treffende Worte seine Mitspieler aufzurütteln. Das Risiko bei solchen Verpflichtungen ist ungleich geringer.
taz: Warum wurden bei den Zuschauern so beliebte Akteure wie Klaus Ottens und Bernhard Olck abgeschoben?
Hinzpeter: Ich halte es für einen Fehler eine Nostalgiemannschaft aufzustellen, in der für die beiden Platz wäre. Es waren ganz andere Sachen im Gespräch. Etwa auf Teufel-komm-raus Andre Golke zurückzuholen. Die Situation hat sich aber geändert. Die Mannschaft, die damals in die Bundesliga aufgestiegen ist, war über Jahre zusammengewachsen. Zudem waren wir zu diesem Zeitpunkt nicht einigermaßen frisch aus der Bundesliga abgestiegen – die Begehrlichkeiten waren ganz andere. Heute stehen wir wesentlich mehr unter Druck, schon wegen des gesteigerten Interesses am FC St. Pauli. Bei unserem jetzigen Kader glaube ich, daß die Mischung zwischen jungen und alten, erfahrenen Spielern stimmt.
taz: Wer hat denn eigentlich in der sportlichen Führung die Hosen an? Manager Jürgen Wähling oder Trainer Seppo Eichkorn?
Hinzpeter: Wir haben vor der Saison hier großen Ärger gehabt, beiden erklärt, daß sie entlassen sind und sich zu ihren Vorstellungen einer weiteren Zusammenarbeit äußern sollen. Ständig um den Hals fallen, brauchen sie sich nicht. Als sportliche Führung müssen sie aber eine Einheit bilden. Die Kompetenzen sind klar abgesteckt. Eichkorn ist für den jetzigen Kader verantwortlich, während Wähling sich um künftige Spieler kümmern soll, eben für das Gesicht des FC St. Pauli in zwei oder drei Jahren die Verantwortung trägt.
taz: Wo wird denn der FC St. Pauli nach dieser Saison stehen.?Als Ziel wurde ein einstelliger Tabellenplatz vorgegeben. Wenn man sich unter Sportjournalisten umhört, wird zumeist der zwölfte Platz prognostiziert.
Hinzpeter: Die Quersumme davon wäre uns natürlich lieber. Auch wenn ich mich bei Prognosen lieber zurückhalte, wollen wir zum Saisonende mindestens auf einer einstelligen Position stehen.
taz: Beabsichtigt der FC St. Pauli sich auch in der kommenden Saison zu gesellschaftspolitischen Problemen, wie Ausländerfeindlichkeit oder Stadtteilproblemen zu Wort zu melden?
Hinzpeter: Wir haben damals – mit dem Spiel gegen Galatasaray Istanbul – trotz Warnungen vom DFB damit angefangen, und wenn von Fanseite wieder Sachen an uns herangetragen werden, sind wir bereit, Stellung zu beziehen. Aber wir sind natürlich in erster Linie ein Fußballverein.
Das Gespräch führte
Kai Rehländer
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