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Vorschlag

■ Tristan Honsinger Quintett – Außer sich im Podewil

Das Außersichsein gibt es in der Musik. Die frei improvisierte ist sein Medium. Tristan Honsinger sein Darsteller. Wenn er singend, schnaufend, schreiend und stampfend mit seinem Cello spielt. Wie beim I.C.P.-Tentet einst. Der Mittvierziger aus Vermont studierte am New England Conservatory in Boston, ging 1969 nach Montréal, entwickelte sich dort vom klassischen zum improvisierenden Musiker und Komponisten und spielte bei Jazz libre du Québec. Seit zwanzig Jahren lebt er in Europa und mischte vor allem bei Misha Mengelberg mit und I.C.P. zum Beispiel. Bei Derek Bailey, Alexander von Schlippenbach und Cecil Taylor. In Florenz machte er Theater- und Tanzmusik. Bei den einschlägigen europäischen Impro-Labels nahm er eine stattliche Anzahl Platten auf. Heute lebt Honsinger in Amsterdam.

Sein Quintett, das er heute abend im Podewil präsentiert, begründete er im vergangenen Jahr. Von der niederländischen Stiftung für Jazz und improvisierte Musik wurde es bereits ausgezeichnet. Eigentlich als Streichquartett gedacht, das mehr leisten sollte, als lediglich die Kammermusik aus der einen an eine andere Tradition zu binden, fehlte dem Versuch jedoch zunächst Drive wie Sound. Die Viola wurde durch den double bass ersetzt und ein Schlagzeug dazugestellt. Dahinter nahm Platz: Louis T. Moholo. Der Südafrikaner, der 1966 mit den legendären Blue Notes nach Europa kam und von dem Chris McGregor sagte, daß bei keinem die Trommeln so klingen würden wie bei ihm: „Da ist die Urgewalt Afrikas zu spüren.“ Moholo spielte fortan in McGregors Brotherhood of Breath, bei Archie Shepp oder Peter Kowald, meist frei improvisiert und häufig total. Bleibt nur zu hoffen, daß die Sonne scheint, damit der Mief des verdunkelten Podewil-Raumes der Musik nicht den Atem nimmt. Und den Zuhörern auch nicht. Das andere, das beklemmend Atemlose, das hatten wir früher schon. Christian Broecking

Das Tristan Honsinger Quintett spielt heute abend bei den Hofkonzerten um 20 Uhr im Podewil, Klosterstraße 68–70, Mitte.

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