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Solingens guter Ruf

■ Nach dem Brandanschlag soll Imagekampagne den Ruf der Stadt aufpolieren / Neue ausländerfeindliche Übergriffe

Solingen (taz) – „Weltruf durch Qualität“, hieß bislang der Slogan der Industriestadt, die den Namen „Solingen“ stolz auf ihre schneidigen Produkte prägte. Doch das griffige Motto ist seit dem 29. Mai überholt. Mit dem Brandanschlag ist „Solingen“ zum Synonym für den Terror gegen türkische EinwanderInnen geworden.

Die Spitzen der Gesellschaft in der traditionsreichen „Klingenstadt“ sehen sich unterdessen selbst als Opfer einer Kampagne. Deren Urheber nimmt Hansjörg Laute, Chef des städtischen Presse- und Informationsamtes, in seinem Amtsblatt sieben Wochen nach dem Anschlag aufs Korn: eine „Journaille, die über Solingen hereinbrach wie eine todbringende Woge, die alles unter sich begräbt“.

Auch die Schreckensmeldungen hatten 23 junge Leute aus elf Nationen nicht davon abhalten können, ihren Urlaub dieser Tage in Solingen zu verbringen – mit der Organisation „Social Camps International“ (SCI). Doch schon in der ersten Nacht, nachdem die Lokalpresse die Gruppe lobend berücksichtigt hatte, bekamen die Gäste ungebetenen Besuch. Vor ihrer Unterkunft, einem einsam im Wald gelegenen Naturfreundehaus, kreuzten Personen im „Fascho“-Outfit auf.

Als sie merkten, daß im Haus noch jemand wach war, zogen sie ab mit der Drohung „Wir kommen wieder!“. Freiwillige der Solinger Gruppe „SOS-Rassismus“ schoben daraufhin jede Nacht Wache. Eine offizielle Reaktion der Stadt oder der Parteien blieb dagegen aus.

Offenbarer Anlaß für die rechte Bedrohung: Tagsüber betreuten die Camp-TeilnehmerInnen eine Ferienkolonie für Flüchtlingskinder aus dem ehemaligen Jugoslawien und anderen Krisengebieten. Nollaig Doughan (33) aus Dublin, war entsetzt über die Verhältnisse, in denen Flüchtlinge leben: „Ich war überrascht zu sehen, daß hier so viele Menschen in so ärmlichen Verhältnissen leben. Gut, sie sind Flüchtlinge. Aber viele von ihnen sind hier etliche Jahre, da sollte man erwarten, daß es ihnen etwas besser geht.“

Die 17-jährige Line Krabbe aus Dänemark spürte zum erstenmal in ihrem Leben das rassistische Vorurteil, als sie mit den Flüchtlingskindern in Solingen mit dem Bus unterwegs war: „Ich bin in Deutschland ein- oder zweimal früher gewesen und habe nichts von Rassismus bemerkt. Als ich hierher kam, dachte ich, na ja, es ist nicht so schlimm. Aber als dann die Skinheads kamen, das war ein großes Gefühl der Angst.“

Solingens Oberbürgermeister Gerd Kaimer (SPD) verkündete unterdessen das Ende pflichtschuldiger Betroffenheit: „Diese Stadt soll wieder strahlen!“

Und als sei dies das Signal gewesen, rückte in der Unteren Wernerstraße 81, wo die fünf türkischen Mädchen und Frauen in der Nacht zum 29. Mai verbrannten, der Abrißbagger an. Von einer Mahnstätte oder dergleichen ist schon längst nicht mehr die Rede. Vielmehr wird – nach der „Entsorgung“ der sichtbaren Spuren – mit Vehemenz eine neue Imagekampagne konzipiert. Der Verleger des Solinger Tageblatts, Bernhard Boll, hat sich persönlich an die Spitze einer konzertierten Aktion gesetzt, an der sich auch die anderen lokalen Medien sowie die Verwaltung und die Wirtschaft beteiligen. Mit dabei sind die Werbe-Profis von der Solinger Agentur von Mannstein, erfolgsgewohnte Werbeköche für Bundeskanzler Helmut Kohl und andere Kampagnen der Union.

Um so peinlicher, daß es nachts immer wieder an Häusern türkischer BürgerInnen und Flüchtlingswohnheimen brennt. Am 24. Juli waren es Müllbehälter in zwei Straßen, zwei Wochen zuvor brannte es gleich an drei Stellen vor einem Flüchtlingswohnheim und vor einer türkischen Gaststätte. Nur das Eingreifen eines türkischen Anwohners verhinderte ein Übergreifen des Feuers auf ein Haus. Türkische Ladenbesitzerinnen bekommen Drohbriefe, ebenso Personen, die sich öffentlich gegen Diskrimierung äußern.

In der schloßähnlichen Residenz der von Mannstein-Werbeagentur findet derweil vielleicht schon das Brainstorming für die geplante Imagekampagne statt. Etwas in der Art wie „Weiter so, Deutschland“ (CDU-Wahlslogan) dürfte wohl für die Solinger Imagewerbung kaum in Betracht kommen. Florian Plöderer

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