: ÖTV fordert rot-grünes Stadt-Management
■ Zweites Gewerkschaftsplädoyer für eine SPD/GAL-Koalition / ÖTV-Chef Fritsch für Direktwahl der Bezirksamtsleiter / Runderneuerung des Unternehmens Hamburg
Die ÖTV legt nach. Sechs Wochen nach seiner öffentlichen Generalkritik am amtierenden SPD-Senat faxte der Vorstand der größten Hamburger Einzelgewerkschaft gestern seine „Forderungen an den künftigen Senat“ in die Redaktionsstuben. Unterm Strich ein zwölfseitiges Plädoyer für die von ÖTV-Mitglied Henning Voscherau so ungeliebte rot-grüne Koalition.
Der erste Seitenhieb gegen die SPD-Regierung kommt etwas gewunden und global daher: „In vielen Politikfeldern,“ so heißt es in dem von ÖTV-Chef Rolf Fritsch verfaßten Papier, „haben wir es mit völlig neuartigen politischen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Herausforderungen zu tun, auf die schon allein wegen ihrer Komplexität die alten Antworten nicht mehr passen.“ Auf hamburgisch übersetzt dürfte das heißen: SPD allein genügt nicht. Benötigt werde statt dessen „die richtige Mischung aus Stabilität und Erneuerung“. Und, damit es auch jeder versteht: „CDU und FDP sind politisch, personell und organisatorisch in einem schlimmen Zustand.“ Nochmal übersetzt: SPD und Grüne, das wäre es.
Und was soll Fritsch's Traumpaar nach überstandenen Koalitionsverhandlungen machen? Es konsolidiert den Haushalt, allerdings nicht durch Privatisierung, sondern durch besseres Stadt-Management: Die Kommune als Unternehmen, das seine Dienstleistungsangebote flexibilisiert, differenziert, durch Dezentralisierung effizienter macht, die stadteigenen Betriebe gezielt steuert, Spitzenpositionen nach Qualifikation und nicht nach Parteibuch besetzt. Dazu Einnahmeverbesserungen (Gewerbesteuer, Nahverkehrsabgabe, Gebühren) und Verzicht auf Ausgabensteigerungen (quer durch den städtischen Gemüsegarten, Ausnahme Wohnungsbau und ABM).
Rot-Grün, so der kaum verhohlene Wunsch der ÖTV, möge die längst fällige Runderneuerung des Unternehmens Hamburg übernehmen, denn dieses zeichne sich derzeit (Senats-Seitenhieb der direkteren Art) aus durch: „Fehlende Bürgernähe, ungenügende Effizienz, offenkundige Schwächen im Management innovations- und effektivitätshemmende Rituale“ undsoweiterundsoweiter.
Ein Mittel zur Abhilfe: Die Verwaltungsreform, allerdings nicht unbedingt im Sinne des amtierenden Bürgermeisters. Zwar plädiert die ÖTV im Einklang mit dem Amtsinhaber für die sogenannte Richtlinienkompetenz des Bürgermeisters, dessen Wunsch nach direktem Zugriff auf die Bezirksamtsleiter kontert ÖTV-Chef Fritsch jedoch mit der Forderung nach „demokratisch gewählten“ Bezirkschefs.
Uli Exner
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