■ Das Trennmal als Mahnung: Ein Band der Erinnerung
Mag die Erinnerung an die reale Mauer, die heute vor zweiunddreißig Jahren errichtet wurde, in der alten Bundesrepublik auch immer mehr verblassen; in Ostdeutschland sorgen schon die neuen, unsichtbaren Mauern zwischen Ost- und Westdeutschen dafür, daß diese nicht in Vergessenheit gerät. Dort können derzeit wohl etliche Menschen, die sich als Opfer eines brutalen Crash-Kurses in angeblicher Marktwirtschaft mit unbeschränkter Haftung zu Lasten der ehemaligen DDRler fühlen, einer neuen Mauer Positives abgewinnen. In der Realität aber ist das furchtbare Trennmal der deutschen Nation so nachhaltig geschleift worden, daß seine Reste in allen Städten der Welt zu finden sind, nicht aber in Berlin selbst. Psychologisch ist das schon verständlich. Wer das mörderische Bollwerk – von beiden Seiten – so lange als einengende Gefängniswand erlebte, konnte nur das unbedingte Hinweg, den sofortigen Abriß als Befreiung empfinden. Nun aber wird das Gedächtnis schwächer. Schon haben selbst Einheimische Mühe, den Grenzverlauf zu erinnern. Noch ratloser sind die Berlin-Besucher. Außer den pittoresken Versatzstücken des Kontrollpunkts „Checkpoint Charlie“ und dem versteckt liegenden Mauerstück an der Bernauer Straße ist nichts geblieben. Es ist deswegen an der Zeit, ein Zeichen der Erinnerung zu setzen und den Grenzverlauf zu markieren – etwa durch ein in den Boden eingelassenes Metallband. Das ist mehr als nur ein nostalgischer oder tourismusfixierter Reflex. Ein solches Band könnte auch stete Mahnung sein, daß es keine Mauern zwischen den Menschen geben darf: nicht in unserer Gesellschaft und auch nicht gegenüber Flüchtlingen. Gerd Nowakowski
Siehe Bericht auf der Seite 23
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