■ Kein Verbot: Streit ist notwendig
Gibt man Rechtsextremen eine Bühne für ihre Ansichten und wertet sie auf, wenn man mit ihnen öffentlich diskutiert? Oder ist solches geradezu zwingend, wenn man ihre gesellschaftliche Ausstrahlung knacken will? Entschieden verhindern, daß rechtes Gedankengut irgendwo vertreten werden kann, haben die Autonomen als klare Strategie. Das hat oft seine Berechtigung, wird aber nicht der gesellschaftlichen Wirklichkeit einer rechten Ausstrahlung gerecht. Zu differenzieren tut deshalb not. Es ist ein unerträglicher Gedanke, daß rechtsextreme Volksverhetzer ihre Parolen ungehindert als Wahlwerbung über Funk und Fernsehen verbreiten dürfen – besonders weil im Radio nicht einmal zu erkennen wäre, ob das nicht ein sendereigener Beitrag ist. Skandalös ist gleichfalls, wenn ein unbedarfter Showmaster Thomas Gottschalk vor Monaten einen mit allen Wassern gewaschenen Demagogen wie Franz Schönhuber einlädt und ihm ohne Widerspruch den Fernsehkanal zum rechten Großangriff auf die deutschen Hirne überläßt.
Das wohltuende Gegenbeispiel aber war vor Jahresfrist in einer Talk-Show zu sehen: In einem offenen Schlagabtausch machten Heiner Geißler und Gregor Gysi den rechten Trommler Schönhuber zur Schnecke und führten ihn als plumpen Lügner vor. Zweifellos: Dazu braucht es persönliches Format, exakte Kenntnis der braunen Phrasologie und den Willen, gegen die Rechtsentwicklung anzukämpfen und nicht zu versuchen, sich nach rechts rückenden Wählern anzubiedern. Solche Auseinandersetzungen braucht das Land! In einem solchen Sinne wäre die Potsdamer Debatte eine Chance. Sich darauf zu beschränken, die rechten Vordenker totzuschweigen, könnte fatale Folgen haben. Die braunen Maulhelden öffentlich zu entlarven würde dagegen den Menschen Mut machen, nicht zu schweigen und Widerstand zu leisten. In einem solchen Sinne bekäme selbst das fatale Wort von der „wehrhaften Demokratie“ einen positiven Sinn. Gerd Nowakowski
Siehe Bericht Seite 22
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