: Angst als Wahlschlager in Südafrika
■ Im beginnenden Wahlkampf hat de Klerks Partei schlechte Karten / Rechtsradikale und Inkatha werben um Weiße
Johannesburg (taz) – Südafrikas Nationale Partei wappnet sich für die Zukunft: Unter dem neuen Symbol der aufgehenden Sonne wirbt die Partei des amtierenden Präsidenten Frederik W. de Klerk um die Südafrikaner. Ihr zentrales Wahlkampfthema: die Nationale Partei als Garant für wirtschaftliche Investitionen und Stabilität.
Aber dreieinhalb Jahre nachdem de Klerk die Welt mit seinem Reformprogramm überraschte, herrschen statt Stabilität Kriminalität, Terrorismus und massive politische Gewalt. Gestern, einen Tag nach einem Massaker an Kirchgängern bei Johannesburg, warnte ANC-Führer Nelson Mandela, die Gewalt könne andauern, bis Südafrika eine neue Regierung habe.
Diese Regierung soll Südafrika am 27. April 1994 wählen, in den ersten demokratischen Wahlen des Landes. Aber laut einer Umfrage der Wochenzeitung Rapport würden gegenwärtig 36 Prozent der Buren ihre Stimme einem rechtsradikalen Führer geben: Eugene Terre Blanche, Chef der faschistischen „Afrikaaner Weerstandsbeweging“, kommt auf zehn, Ferdi Hartzenberg von der Konservativen Partei auf sechs und Constand Viljoen, Anführer der „Afrikaaner Volksfront“ und ehemaliger Chef der Streitkräfte, auf satte 20 Prozent. De Klerk muß sich bei seiner einstigen Hausmacht mit 32 Prozent zufriedengeben – eineinhalb Jahre nachdem er das weiße Referendum über den Reformprozeß gewonnen hatte.
Und nach einer bisher unveröffentlichten Meinungsumfrage, die erstmals auch einen repräsentativen Querschnitt der Landbevölkerung einschließt, kann de Klerks Regierungspartei insgesamt mit gerade etwas mehr als 24 Prozent rechnen – der ANC käme auf rund 56 Prozent. Zwei Drittel der „Farbigen“ – hauptsächlich Inder – sprachen sich für die NP aus, aber weniger als 60 Prozent der Weißen.
Die konservative Schwarzenbewegung Inkatha liegt derzeit bei unter zehn Prozent. Ein Weg, ihre aussichtslose Position zu verbessern, wäre die Gewalt: Den ANC würde ein dadurch bedingtes Wegbleiben der Wähler von den Urnen die absolute Mehrheit kosten. NP- Politiker wie George Bartlett, den Parteivorsitzenden in Natal, stört das überhaupt nicht. „Meine Partei wird der politische Gegner von Inkatha sein, aber die Gruppierung ist nicht mein Feind“, sagt er. „Aber wenn die Kommunistische Partei an die Macht kommt, wird sie mein Feind sein.“
Bartlett spricht mit seiner Äußerung nicht nur ein weiteres zentrales Wahlkampfthema der NP an – die ANC-Allianz mit der Kommunistischen Partei. Er stößt sich auch an der Nähe der NP zum ANC, die überall konstatiert wird. Der konservative Politologe Mervyn Frost von der Universität von Natal schreibt: „Bei den Verhandlungen kristallisiert sich Machtteilung heraus. Wir können von einer Allianz zwischen NP und ANC sprechen.“
Inkatha-Chef Buthelezi hofft, daraus Kapital zu schlagen. Frost: „Werbematerial von Inkatha zeigt, daß die Partei sich vor allem auf Wähler der Nationalen Partei konzentriert.“ Etwa 30 Prozent der Weißen in Buthelezis Stammprovinz Natal unterstützen nach Meinungsumfragen Inkatha. Staatspräsident de Klerk ist machtlos dagegen: Während ihm Buthelezi die Wähler abspenstig macht, muß er immer wieder im Büßerhemd bei ihm antreten – in der Hoffnung, ihn an den Verhandlungstisch zurückzulocken. Inkatha boykottiert die immer noch nicht abgeschlossenen Demokratisierungsverhandlungen, und Buthelezi drohte am Wochenende, auch die Wahlen zu boykottieren. Der Zulu-Führer flirtet offen mit rechtsradikalen Gruppierungen wie der „Afrikaaner Volksfront“ unter Viljoen. Der silberhaarige Buren-General stieg innerhalb von fünf Monaten kometenhaft zu einem der bedeutendsten Politiker Südafrikas auf. Am Wochenende verkündete er bei der Gründung der Frauenliga seiner Gruppierung: „Sie müssen sich darauf einstellen, töten zu müssen.“
Viljoen schaffte zudem das Unmögliche: er einte die zersplitterte Rechte des Landes und gründete die „Gruppe besorgter Südafrikaner“ (COSAG). Beobachter sind sich einig, daß eine Wahl gegen einen Boykott dieser Gruppierungen einen Bürgerkrieg auslösen könnte. Auch Mandela sieht diese Gefahr: „Die Rechtsradikalen haben Gefolgsleute in den Sicherheitskräften, die bei der Gründung des demokratischen Südafrika zum Kampf aufgerufen werden. Sie betrachten die Nationale Partei als Verräter.“ Just um diesem Ruch zu entgehen, verkündete Minister Tertius Delport Mitte August, die beabsichtigte Auflösung der noch nach Rassen getrennten Stadt- und Gemeinderäte und die Bildung neuer, gemischtrassiger Verwaltungen werde verschoben. Die „Afrikaaner Volksfront“ hatte zuvor mit massivem Widerstand gedroht. Willi Germund
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