■ Kommentar: Watschen für die Wahrheit
Überbringer wahrer Botschaften sollten dicke Backen haben. Allzu ofterhalten sie Prügel. Da ist es nicht schlecht, an den richtigen Stellen gut gepolstert zu sein. Rolf Fritsch ist gut gepolstert, und er hat ein dickes Fell. Das braucht er auch, denn seine Botschaft ist bitter: Mit tarifpolitischem Juchhe von annodunnemals, der fleißigen Pflege heiliger Tabus, Vogel-Strauß-Haltung und salbaderndem Reformgeschwafel schlagen die Gewerkschaften allenfalls noch die eigene Mitgliedschaft in die Flucht. Qualität, Kreativität und radikale Erneuerung müßten die Markenzeichen moderner Gewerkschaftspolitik sein.
Selbst gruftige Funktionäre räumen heute ein, ohne Dezentralisierung, Öffnung, Diskussionslust, Erneuerung sei ihre Organisation vom Untergang bedroht. Wehe aber, einer der ihren stellt konkrete Vorschläge zur Diskussion. Dann setzt es was.
Fritsch kann stolz sein: Seine Stiche sitzen. Ob er von der ÖTV-Zentrale in Stuttgart konzeptionelles Handeln verlangt, nüchtern für Hamburg die Hoffnung auf rot-grüne Reformpolitik formuliert oder die Erneuerung der Tarifpolitik einklagt – die Reaktion kommt sofort: Schmutzfink, Verräter, Nestbeschmutzer. Watschen für die Wahrheit. Rolf Fritsch nimmt sie gelassen hin.
Florian Marten
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