: BASF läßt Ludwigshafen mit giftigem Ruß beregnen
■ Feuerwehr erst nach einer Stunde informiert
Berlin (taz) – Bei einem Chemieunfall im Werk Ludwigshafen des Chemiekonzerns BASF sind am Sonntag abend mehrere Tonnen einer ätzenden Chemikalie verkokelt und in die Umwelt gelangt. Giftige tropfengroße Rußteile legten sich über eine Fläche von 15 bis 20 Quadratkilometer, in der nach amtlichen Angaben rund 35.000 Menschen leben. Der Konzern warnte gestern vor dem Verzehr von Obst und Gemüse aus den Schrebergärten von Ludwigshafen und dem benachbarten Frankenthal. In neun Schulen und fünfzehn Kindergärten durften die Kinder gestern nicht nach draußen. Die ausgetretenen Chemikalien könnten unter gewissen Umständen krebserregende Nitrosamine bilden, warnte der Konzern außerdem.
Zu dem Unfall kam es nach Angaben der BASF am Sonntag abend um 18.15 Uhr. Beim Wiederanfahren einer Chemieanlage habe sich aus noch unklaren Gründen ein Schaum entwickelt. Der Schaum mit der ätzenden Substanz Methyldiethanolamin sei in der für solche Fälle vorgesehenen Fackel 15 Minuten lang nicht vollständig verbrannt, sondern nur verkokelt. Acht Tonnen der giftigen Substanz sind nach Konzernangaben emittiert worden, daneben 200 Kilogramm Piperazin und 10 Kilogramm Monomethyletanolamin.
Die städtische Feuerwehr in Ludwigshafen, die normalerweise automatisch über alle Vorfälle im größten Chemiekomplex Europas informiert wird, erhielt diesmal erst um 19.11 Uhr den ersten Anruf. „Die Rußemission war zwar schon um 18.15 Uhr“, räumte ein Konzernsprecher gestern ein, „aber nicht bei jeder Rußemission wird die Feuerwehr informiert.“ Erst als die Werksfeuerwehr die Dimension des Unfalls erkannt habe, sei die Informations-Maschine angelaufen.
Auch dann funktioniert das Störfallmanagement von Chemiestadt und Chemiekonzern nicht. „Uns war von Anfang an bekannt, daß der Ruß leicht ätzend war“, so der Chef der Ludwigshafener Feuerwehr, Ernst-Peter Döbbeling. Trotzdem war es schon nach 22 Uhr, als sich Konzern und Stadt darauf geeinigt hatten, wie und in welcher Form die Bevölkerung zu informieren sei. Megaphonwarnungen, die der Konzern angeregt hatte, seien zu diesem Zeitpunkt ausgeschieden, so Ludwigshafens Umweltdezernent Karl-Horst Tischbein gestern. Das hätte die aus dem Schlaf aufgeschreckte Bevölkerung nur beunruhigt. So liefen die ersten Warnungen an die Bevölkerung gestern morgen um 5 Uhr über die lokalen Radiostationen. Hermann-Josef Tenhagen
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