piwik no script img

Irgendwie modern, oder was?

■ Mißratene Premiere von “Herkules Frauen“ in den Zeisehallen

Wenn das staatstragende Theater mit seiner Generation rund gewordener Regie-Theater-Helden nicht mehr weiß, was es dem Publikum eigentlich zu sagen hat, und deswegen eine Gefühlsprothese nach der anderen über die wunden Ideen-Stümpfe ziehen muß, dann mag das Anlaß für eine weitere Todsagung des Theaters sein und somit ein Zeichen für Erneuerung. Wenn aber den jungen Pilzen, die durch diesen warmen Moder emporschießen sollen, bereits bei ihrem ersten Auftreten Moos am Kinn wächst, dann ist das Anlaß für Besorgnis.

Die Einweihung des neuen Spielortes des Studiengangs Musiktheaterregie in den Zeisehallen addierte hier ein weiteres, besonders trauriges Kapitel zu dem Gruselfilm „Hamburgs provinzieller Regie-Nachwuchs“ hinzu. Michael Dißmeier, Auszubildender in der Anstalt von Jürgen Flimm, Manfred Brauneck und Hark Bohm, möchte mit seiner Adaption von Händels Oratorium Herkules „Auskunft geben über Charakter und Wesen menschlicher Verhaltensweisen,“ stattdessen zerdehnt er die Langeweile hilfloser Absichtlichkeiten ins zweistündige.

Schon die Bühnendekoration (große blaue Dreiecke) läßt den unsäglichen Versuch, „frech“ (oder war es „modern“?) sein zu wollen, vorausahnen. Ein trampeliger Herkules in Lederhose, Unterhemd und Dackelblick, der angeblich Schauspieler ist, aber auch von nebenan aus dem „Eisenstein“ geholt sein könnte, setzt die Perfidie eines konzeptlosen „Irgendwies“ fort.

Steif und uncharmant quält sich die Geschichte um Herkules Tod, verursacht durch die eifersüchtige Gattin, voran. Keine graue Operngeste bleibt ungespielt, und besonderen Wert hat der Regisseur anscheinend auf ungeschicktes Hin- und Hergelaufe und amateurhaftes Minenspiel, daß jedem Schultheater zur Ehre gereicht hätte, gelegt. Die beiden Sängerinnen, die ihre Parts leidlich über die Runden bringen, trifft es aber besonder hart.

Dißmeier hat sich nämlich überlegt, daß das Weib schwach und seelisch völlig abhängig von dem Mann sein muß, damit alles „irgendwie“ so klappt, daß das denn dann auch logisch und so ist oder wie?

In schlecht sitzenden Kostümen müssen die zwei nun Leidenschaft und Unterwürfigkeit heucheln, weil sie die „fühlenden Menschen“ des Stückes sind. Da Dißmeier weder Menschenführung beherrscht, noch einen auch noch so kleinen orginellen Regieeinfall nach drei Jahren Studium gefunden hat, ist das Resultat nichtssagend (wenn mal wieder nichts passiert) und peinlich (wenns erhaben werden soll). Ausgiebiges Gähnen im höchst unkonzentrierten Wandsbeker Kammerorchester konnte man dann auch nicht übel nehmen.Wenn dies die Ergebnisse eines so teuren Studiums sind, dann sollte man das schöne Geld vielleicht umverteilen, dorthin, wo man erkannt hat, daß der Humus der Kunst der Gedanke ist.

Till Briegleb

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen