: Mafiastrukturen bei der vietnamesischen Botschaft
■ Schwere Vorwürfe von Beratungsstellen: Vietnamesische Ex-Vertragsarbeiter erhalten Nationalpässe nur gegen Schmiergeld / Botschaft: „Gemeine Verleumdung“
Berlin (taz) – Die ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter aus Vietnam, die bei ihrer Botschaft in Berlin Nationalpässe beantragen, müssen über die normalen Gebühren hinaus Schmiergelder bezahlen. Dies behaupten verschiedene vietnamesische Beratungsstellen sowie Caritas-Behörden in Berlin und Westdeutschland. Aus Sicherheitsgründen wollen die Beratungsstellen aber keine identifizierbaren Fälle schildern. „Verräter müssen um ihr Leben fürchten“, oder „Angehörige in Vietnam könnten drangsaliert werden“, heißt es.
Übereinstimmend berichten sie, daß bei der Außenstelle der Sozialistischen Republik Vietnam in Pankow „mafiaähnliche Strukturen“ bestehen. Botschaftsmitarbeiter würden Anträge für die Neuausstellung eines Nationalpasses nur dann bearbeiten, wenn gleichzeitig ein Briefumschlag mit mehren hundert Mark überreicht wird. Die Höhe der Summe werde willkürlich festgelegt. So wurde Mitte August von einem aus Norddeutschland angereisten Ex-Vertragsarbeiter 1.000 Mark verlangt.
„Die Vietnamesen sind der Botschaft völlig ausgeliefert“, sagen sie unisono. Denn ein gültiger Paß (plus Arbeit und Wohnung) ist laut Beschluß der Innenministerkonferenz vom Sommer Voraussetzung, um als Ex-Vertragsarbeiter in der Bundesrepublik ein unbefristetes Aufenthaltsrecht zu bekommen. Die Duldungsfrist läuft am 17. Dezember aus. Um den Paß aber bis dahin zu bekommen, müssen die Vietnamesen bei der Botschaft beweisen, daß sie ihren aus Angst vor einer Abschiebung gestellten Asylantrag bei der Ausländerbehörde zurückgezogen haben. Mit den Schmiergeldern „rächen“ sich jetzt Botschaftsangehörige an „Dissidenten“, vermutet ein Berater, denn laut vietnamesischem Recht ist ein Asylbegehren strafbar. So sei es auch vorgekommen, daß die Botschaft neben Extrageld eine Kopie des Asylbegehrens verlangt habe. „Wohl um Angehörige mit Details unter Druck setzen zu können“, vermutet er. Es sei auch bekannt, daß die Botschaft Pässe von Vertragsarbeitern, die ab 1990 ins Asylverfahren gegangen sind, an andere Vietnamesen teuer verkauft habe. Wenn die ursprünglichen Paßinhaber jetzt bei der Botschaft ihren Paß beantragen, erhalten sie mit viel Geld einen, aber einen, den es faktisch zweimal gibt.
All diese „skandalösen Praktiken“ seien nicht zu beweisen und „deshalb leider nicht zu ändern“, sagen Experten. Denn die Botschaft ist exterritoriales Gebiet. Ein offenes Geheimnis ist hingegen, daß diejenigen Vietnamesen, die bereits einen Paß haben und mit diesem nach Vietnam fliegen wollen, für ein Besuchervisum bis zu Tausende von Mark zahlen müssen.
Die Botschaft bestreitet alles: „Nichts als gemeine Verleumdungen“, sagt ein Angestellter, der anonym bleiben wollte. Ein Besuchervisum koste fünf und ein Paß 110 Mark. Weil die Antragsteller aber nicht persönlich bei der Botschaft zu erscheinen brauchen, sondern einer „Person des Vertrauens“ eine „Vollmacht“ geben können, sei es möglich, daß sich Landsleute „bereichern“. „Absurd“ sei auch der Verdacht, daß Pässe zweimal ausgestellt wurden. Anita Kugler
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