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Giftalarm: Dioxin und Salzsäure

■ Göttingen: Zweimal in zwei Tagen Brände und Giftalarm

Nach einem Großbrand in einem Göttinger Farbenhandel in der Nacht zum Sonntag mußten 14 Menschen wegen Reizungen der Atemwege und Augen im Göttinger Klinikum behandelt werden. Die Brandursache ist noch unklar. Bei diesem Einsatz mußte die Göttinger Polizei zum zweiten Mal innerhalb von 48 Stunden Giftalarm geben. Meßtrupps hatten in der Luft das Umweltgift Dioxin und über drei Prozent Salzsäure festgestellt.

Eine riesige Rauchwolke trieb in Richtung Norden. Die Bewohner der betroffenen Bereiche der Stadt und des Landkreises Göttingen sowie im Süden des Nachbarkreises Northeim bis zu 30 Kilometer entfernt wurden über Lautsprecher und Rundfunkdurchsagen aufgefordert, Türen und Fenster zu schließen und sich nicht im Freien aufzuhalten.

Ein Sachverständiger sagte am Sonntag vor Journalisten zur Höhe der Dioxinbelastung: „Wenn so große Mengen PVC verbrennen, wird immer Dioxin freigesetzt.“ Die erste ausgewertete Probe habe jedoch keine beunruhigende Belastung ergeben. Andere Verbrennungsprodukte hätten die zahlreichen Gärten in der Umgebung der Brandstelle jedoch so stark verunreinigt, daß er dazu rate, „die Gartenfrüchte von diesem Jahr nicht mehr zu essen. Abwaschen nützt da nichts.“ Im Freien stehende Fahrräder und Spielgeräte sollten abgespritzt werden, um Kinder vor Verätzungen zu schützen. Genauere Untersuchungsergebnisse seien erst in zwei Wochen zu erwarten.

Der Brand hatte sich in dem mehrgeschossigen 40 mal 70 Meter großen Gebäude mit Bürotrakt nach Darstellung der Feuerwehr „mit ungeheuer großer Geschwindigkeit“ ausgebreitet. Farben, Lacke, Lösungsmittel, Teppiche und Kunststoff-Bodenbeläge gingen in Flammen auf. In dem Gebäude gab es mehrere Explosionen, bevor die Eisenträger schmolzen und alles einstürzte. Auch ein Dentallabor wurde dabei vernichtet. Mit 22 Rohren bekämpften bis zu 120 Feuerwehrleute den Brand, wobei sie sich vor allem auf den Schutz der Nachbarfirmen konzentrierten.

Mühe hatte die Polizei, trotz massiver Warnungen unzählige Neugierige, darunter zahlreiche Kinder, von der Gefahrenstelle zu vertreiben. Der Einsatz der Beamten wurde erschwert, weil nicht genügend ABC-Masken für sie vorhanden waren. Das Löschwasser wurde zur gesonderten Entsorgung in einen Behälter der Kläranlage geleitet, um das Grundwasser nicht zu vergiften. Nach dem Brand spritzte die Feuerwehr zahlreiche parkende und auf Verkaufsflächen von Autofirmen stehende Autos ab, damit der Lack nicht durch die Salzsäure leidet.

Erst in der Nacht zum Freitag war die gesamte Feuerwehr des Bereichs alarmiert worden. Ein mit verunreinigtem und deshalb giftigem, krebserregendem Zinkoxyd beladener holländischer Lastwagen war nach einem Unfall 500 Meter vor den ersten Häusern des Ortes Bremke bei Göttingen und kurz vor einem Tiefbrunnen umgestürzt. Zwölf Großbehälter waren auf einem Acker zerplatzt. Das gefährliche Pulver mußte in stundenlanger Arbeit geborgen werden. dpa

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