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SanssouciVorschlag

■ Ein Essen bei Viktoria

Alles nicht so einfach mit der Frage: Wie verhalte ich mich richtig? Korrekt, aber nicht steif. Selbstbewußt, aber nicht aufdringlich. Freundlich, aber nicht devot...

Was also macht ein unbekannter und unveröffentlichter Autor, wenn er zum Verleger nach Zürich gebeten wird? Zu Fuß gehen wäre gut, es beruhigt. Aber das Haus könnte am Hang liegen, und ein verschwitzter unveröffentlichter Autor macht keinen guten Eindruck. Taxi? Er könnte beim Aussteigen gesehen werden und den Verleger vermuten lassen, so einer hat es wohl gar nicht mehr nötig. Alles nicht so einfach. Jetzt steht er nämlich vor der Villa, und es ist zehn vor fünf, bestellt ist er auf fünf. „Aus einem Fenster im Hochpaterre schaute eine Frau heraus, und ich dachte, jetzt hat sie mich gesehen, jetzt muß ich auch hineingehen, sonst denken die, ich habe Angst. Ich wäre aber lieber im Wald spazieren gegangen, um nicht überpünktlich zu sein. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, als könnte ich es überhaupt nicht erwarten, dem Verleger die Hand zu schütteln und mich von ihm zum Autor machen zu lassen.“

Im Garten springt ein kleiner Hund auf ihn zu und beschnuppert ihn. Er war schon mal bei einem Verleger, wegen eines Theaterstücks, und der hatte einen Airdale. Der unveröffentlichte Autor findet diese Hundeart widerlich, trotzdem hatte er „den Hund des Theaterverlegers sofort gestreichelt und ihm die Schnauze getätschelt und ihn hinter seinen Airdaleohren gekrault“. So was von verlogen. „Diesmal aber streichelte ich den Hund nicht, aus Stolz. Ich dachte auch, vielleicht guckt der Verleger gerade aus dem Fenster und denkt, was für ein unterwürfiger Mensch ist dieser Autor, daß er sich schon bei meinem Hund anfiezt, er hat, wie mir scheint, überhaupt kein Rückgrat, von dem bringe ich keine Zeile. Damit wäre alles aus gewesen. Ich streichle einen Hund, und schon ist meine Karriere ruiniert.“

Alles nicht so einfach, aber so geht das in Jens Johlers „Ein Essen bei Viktoria“, einem Roman in Erzählungen (Luchterhand) – der gleichsam, so lehrt uns die Zeit –, „die erneuerte Form der erzählten Serie oder des novellistischen Kranzes“ ist. Nur, ist das lustig zu lesen? Komisch? Unterhaltsam? Humoristisch?

In der Verlagsankündigung steht, Johler erzähle „locker und intelligent“. Tempo findet's blöd, „als Schlüsselroman ist er nicht bösartig, zum reinen Vergnügen nicht interessant genug“. Der Rezensent der zitty ist hingerissen, feiert die „sanfte Komödianterie“ und „eine ganz eigene Form des tragikomischen Understatements“. Im RIAS wird der „klare, ganz unaufgeregte Stil“ gelobt. Der Tagesspiegel findet die Erzählungen „durchwoben mit einer unaufdringlichen Ironie, die auch noch die genüßlichste Boshaftigkeit in ein mildes Licht taucht“. Kowalski schreit „klasse“ und druckt gleich eine ganze Geschichte nach, und die Berliner Zeitung ist ganz wirr: „Er schreibt eine gute, saubere Prosa. – Er schreibt gleichzeitig eine langweilige Prosa.“

Alles nicht so einfach, aber für Neugierige wurden ja extra die Lesungen erschaffen. Herr Thömmes

Jens Johler liest heute in der Stadtbibliothek Berlin Mitte, Brunnenstr. 181, O-1054 Berlin (U-Bahn Rosenthaler Platz), 20 Uhr.

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