Das elektronische Taxi

■ In Berlin wird bargeldloses Taxifahren eingeführt / Lesegeräte für Magnet- und Chipkarten / Vernetzung mit BVG-Karte vorgesehen / Kritiker befürchten zu hohe Kosten

Kriminelle, die sich auf Taxis spezialisiert haben, werden es demnächst schwer haben. Bei der Drohung „Geld oder Leben“ wird der Fahrer künftig mit dem Kopf schütteln und nur noch auf einen Terminal zeigen. Denn in Berlin wird eingeführt, was in London seit längerem schon möglich ist: Ohne Bargeld zu bezahlen. „Cab- Charge“ heißt das neue Zauberwort, was im Deutschen ein wenig umständlich „Taxifahrpreis“ heißt. Die ersten 100 Wagen werden derzeit mit Lesegeräten für Magnetkarten ausgerüstet und sollen noch diesen Monat auf der Straße sein, hofft Bernd Döring, Geschäftsführer des Berliner Taxi-Unternehmens „City-Funk“ und Chef der Cab-Charge Arbeitsgemeinschaft Deutschland. Rund 7.100 Taxis gibt es derzeit in Berlin, rund die Hälfte will Döring bis Mitte 1994 mit den Terminals ausrüsten. Dann soll neben den Magnet- auch mit Chipkarten, etwa mit der in der Testphase befindlichen „elektronischen Geldbörse“ der BVG, bezahlt werden können. Das System klingt vielversprechend: EC- Kredit- und Kundenkarten großer Warenhäuser und von den Funkzentralen ausgestellte Cab-Charge- Chipkarten ersetzen das Hartgeld.

Die Idee selbst ist nicht so neu, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Viele Angestellte großer Firmen, Rundfunksender oder öffentlicher Stellen zahlen heute bereits mit den von Funkzentralen ausgegebenen Papiercoupons. Doch mit Cab-Charge sieht Döring erhebliche Synergieeffekte für die Privatkunden: „Die Taxibelegquittungen fallen weg, ebenso die bislang damit zusammenhängende aufwendige Kassenbuchaltung der Firmen“. Döring träumt von einem europaweiten, später weltweit vernetzten Cab-Charge-System. Ein Berliner könne dann etwa in London mit seiner in Deutschland aufgeladenen Chipkarte zahlen, bekäme die Rechnung in die Heimat zugeschickt. An der Vision arbeitet Döring kräftig mit – als deutscher Vertreter sitzt er in der „Cab- Charge-Europe-Limited“, die ihren Sitz in London hat und eine Interessensgemeinschaft aus mittlerweile sechs Ländern ist.

Nicht überall wird Dörings Idee mit Begeisterung aufgenommen. An der Spitze der Kritiker steht Hans Renken, Geschäftsführer der „Winterfeldt-Taxen“. Skeptisch beurteilt er die Chancen, mit Cab-Charge der ökonomischen Krise im Taxigewerbe zu begegnen. So bereiteten die über fünf Jahre laufenden Leasing-Verträge für die Terminals vielen kleineren Unternehmen erhebliche Schwierigkeiten, meint Renken: „Wenn jemand seine Konzession abgibt, ist er weiterhin an den Leasing- Vertrag gebunden.“ Auch für die Kunden gebe es nicht nur Vorteile: Wer beispielsweise mit einer Cab- Charge-Karte einer Hamburger Funkzentrale in Berlin bezahle, müsse einen Zuschlag von zehn Prozent auf den Fahrpreis entrichten, Besitzer ausländischer Cab- Charge-Karten gar fünzehn Prozent. Ebenso sei eine Gebührenordnung im Kreditkartensystem kaum tragbar: „Wenn ich von jedem mit Kreditkarte bezahlten Fahrpreis später sechs Prozent an die Kreditkartengesellschaft abtreten soll, weiß ich nicht, ob sich das noch rechnet.“ Auch das Verwirklichung eines weltweit vernetzten Cab-Charge-Systems sieht Renken zur Zeit nicht: „Es fällt mit schwer, daran zu glauben, wenn sich noch nicht einmal die Berliner Funkzentralen in dieser Frage einig sind.“ Severin Weiland