piwik no script img

Von der unendlichen Einfachheit

■ FC Bayern München – Norwich City 1:2 / Kopflose Bayern

Nach wie vor teilen eingefleischte Engländer den Erdball ein in „the British“ und „the rest of the world“. Und eigentlich erfanden sie das Spiel namens Fußball, anläßlich dessen sich Menschen aus der verträumten Stadt Norwich zu Besuch nach München begaben. Bunt und leicht bekleidet froren sie im Süden des Kontinents. Mit lautstarkem, aber friedlichem Trinken aus großen Krügen versuchten sie in den Bierhallen die aufkommende Erklärung zu vermeiden. Singend wanderten sie zum Olympiastadion, um dieses später noch fröhlicher zu verlassen. Ihre Fußballer hatten gesiegt, gegen einen Vertreter Resteuropas, den FC Bayern München. Ruhmreiche Teams wie der FC Liverpool, der FC Everton, Aston Villa sind an den Bayern schon gescheitert. Norwich erkämpfte den ersten Sieg einer englischen Mannschaft auf Münchner Rasen.

Dabei hatten die Größten der bayerischen Vereinshierarchie vorab vehement vor der Stärke des Teams gewarnt. Nicht die fußballerische Überlegenheit der Engländer entschied das Spiel, sondern das bayerische Unvermögen. Ein sichtlich verärgerte Trainer Ribbeck vermerkte, seine Mannschaft sei vom Pech verfolgt gewesen, der Gegner habe sich nur drei Torchancen erarbeitet, woraus sich zwei Tore ergaben. Falsch: Die Bayern hatten kein Pech. Die Niederlage wurzelt in der Einfallslosigkeit, eine technisch harmlose Mannschaft auszuspielen, und in den Fehlleistungen der gesamten Abwehr. Köpfe niemals den Ball in die Mitte des eigenen Strafraums beim Abwehrversuch! An diese Binsenweisheit hielt sich Weltstar Matthäus nicht. Er legte herrlich für Jeremy Gross auf, der das Geschenk dankend annahm. Beim zweiten Treffer zog Vorstopper Kreuzer erschrocken das Haupt ein und ermöglichte dem aufgerückten Verteidiger Culverhouse, seinen Kopf sinnvoller einzusetzen.

Unberührt versuchte das Bayern-Mittelfeld den Zuschauern die Breite des Fußballfeldes zu vermitteln. Minutenlang umkreisten sie sinnlos den Strafraum. Nur einmal, in einem Anfall von Ideenreichtum, überwand Matthäus die Abwehr mit einem Paß auf Jorginho, der flankte, und Nerlinger setzte den Ball ins Netz. Wir wissen also, wie es geht. Aber: Mehmet Scholl mußte die körperliche Überlegenheit seines Gegenspielers anerkennen, Witeczek verzettelte sich an der Außenlinie, und den dritten, Valencia, sah man nur einmal, als er freistehend vergab.

Wie man einfach, jedoch wirkungsvoll Fußball spielen kann, zeigte die Mannschaft aus Norwich. Sei immer da, wo auch der Gegner ist, warte, bis der einen Fehler begeht, dann wetze, als ob der Leibhaftige hinter dir her wäre, und versuche, wenn der Strafraum erreicht ist, den Ball ins Netz zu setzen!

Auf schön anzusehendes Mittelfeldspiel ist hierbei zu verzichten. Ruel Fox, der sowohl als Verteidiger als auch als Stürmer agierte, „verbrauchte“ durch seine Laufarbeit gleich zwei Bayern-Spieler, erst Ziege, dann den wahrlich nicht langsamen Sternkopf.

Karl-Heinz Rummenigge meinte, das Spiel sei mit dem Kopf entschieden worden. Recht hat er, klügere Köpfe gewinnen, weil sie wissen, wie ihr übriger Körper im Rahmen seiner Fähigkeiten einzusetzen ist. Werner Steigemann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen