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Sprung durchs Glas

Zoyd Wheeler springt wie in jedem Jahr durch die Glastür eines Einkaufszentrums, um den Sozialhilfesatz für geistig Behinderte zu kassieren. Eine Herde von Kameras beäugt die Szene — mit dem Sprung des Helden beginnt Vineland, der neue Roman des Amerikaners Thomas Pynchon. In der Reihe „Perspektiven metropolitaner Kultur“ liest heute der allseits beliebte Wim-Wenders-Schauspieler Hanns Zischler aus dem neuen Werk des soziophoben Kultautors.

Thomas Pynchon, 1937 im Staate New York geboren, war bei der US-Navy und studierte Ingenieurswissenschaften in Cornell, wo er nebenbei das berühmte Seminar Nabokovs über den modernen Roman belegte. Er arbeitete als Autor für Boeing bevor er 1963 mit V. debütierte, einem komplexen und spielerischen Erstling, der mit seinen Dostojewskischen Ausmaßen Pynchon auf einen Schlag etablierte und ihm nicht nur Vergleiche mit Swift und Joyce einbrachte, sondern auch hämische Bemerkungen über seinen Geisteszustand. 1966 folgte das kurze Romanspiel The Crying Lot 49 und 1973 Die Enden der Parabel, ein enzyklopädisches Werk über Physik, Raketenangriffe, Erektionen und Nazideutschland vor und nach dem Krieg. Pynchon berücksichtigt in seiner Arbeit konsequent auch naturwissenschaftliche, speziell physikalische Erklärungs- und Beschreibungsweisen. Bekannt ist seine Verwendung thermodynamischer Metaphern, speziell der Entropie, während sein neuer Roman sich vor allem an der Elektrooptik auflädt.

Vineland, 1990 in Amerika erschienen, nun endlich übersetzt und zwar sehr gut, ist ein bitteres Panorama des Reaganschen Amerika und seines am TV verketteten Volkes. Längst hat die Regierung, eine Maschinerie, gegen die die Stasi die Heilsarmee ist, Rehabilitationszentren für Video-Delinquenten eingeführt. Nur im nördlichen Kalifornien, dem fiktiven Vineland (“Vineland, das Gute“, nannten die Wikinger Amerika), haben sich etliche fanatisierte Alt-Hippies gehalten. Und hier wühlt Zoyd Wheeler nach unlösbaren Geheimnissen... Helge Knolle

Literaturhaus, heute, 21 Uhr, Einführung: Friedrich Kittler

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