: Arbeitslosigkeit – kein Thema für die Grünen?
■ betr.: „Bündnis 90/Grüne beken nen sich zur europäischen Union“ u.a., „Falsche Fragen – nutzlose Antworten“ Kommentar von Mat thias Geis, taz vom 15.11.93
Am Ende seines Kommentars zum Bundesparteitag von Bündnis 90/Grüne fordert Matthias Geis mit Recht, daß Grüne und SPD schon jetzt reformpolitische Antworten für ein Regierungsbündnis suchen müssen; gerade das ständig gravierender werdende Problem der Massenarbeitslosigkeit biete vorzügliche Möglichkeiten für eine gesellschaftspolitische Reformdebatte – und beide verschlafen nach seiner Meinung die Gunst der Stunde.
Was die Grünen betrifft, hat er unrecht.
Im gerade verabschiedeten Europa-Wahlprogramm gibt es klare Aussagen, wie im Rahmen einer lokalen und regionalen Ökonomie, die sich am Umweltschutz und an den Lebensbedürfnissen der dort lebenden Menschen orientiert, neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Was die ebenso dringend erforderliche Arbeitsumverteilung anbelangt, haben die Grünen seit ihrem Hagener Wirtschaftsprogramm vor über zehn Jahren immer wieder Vorschläge in die gesellschaftliche Debatte geworfen (35-Stunden-Woche, sozial abgesicherte Formen der Teilzeitbeschäftigung und des Job-sharing, Sabbat-Jahr zur Weiterbildung oder Erholung, garantiertes Mindesteinkommen etc.); zuletzt in der Form eines Arbeitszeitgesetzes der Grünen-Bundestagsfraktion im Jahre 1989. Ich hätte mir gewünscht, daß diese Vorstellungen Eingang in das Europaprogramm gefunden hätten.
Es wurde nicht nur zugesichert, daß dies einer der Schwerpunkte für das Bundestagswahlprogramm werden wird, an dem ja bereits gearbeitet wird, sondern Ludger Volmer als einer der beiden Bundessprecher hat in einem sehr engagierten Beitrag mit großer Zustimmung der Versammlung festgehalten, daß Bündnis 90/Grüne gerade über ihre Konzepte zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit ihre Kompetenz in der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu untermauern gedenken.
Und so füge ich hinzu, dies könnte doch im edlen Wettstreit mit der SPD eine gute Grundlage für die Bildung einer Koalitionsregierung abgeben. Bewegen müssen sich da freilich die Damen und Herren Sozialdemokraten! Und nicht nur in dieser Frage, wie wir eben nochmals in Hamburg leider feststellen mußten... Helmut Horst, Berlin
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