: Treff der Drogenpolitik-Rebellen
■ Konferenz europäischer Großstädte für kontrollierte Heroin-Freigabe Von Kai von Appen
Eine „radikale Wende“ in der Drogenpolitik hat der Hamburger Drogenbeauftragte Horst Bossong gestern zu Beginn der „4. Internationalen Konferenz Drogenpolitik in europäischen Städten“ in Hamburg gefordert. Über 100 Fachleute und ExpertInnen aus der ganzen Welt debattieren drei Tage lang über die „Problematik der offenen Drogenszenen“ und tauschen ihre Erfahrungen aus. Bossong: „Es geht darum, nicht die Fehler zu wiederholen, die andere schon gemacht haben, und darum, positive Erfahrungen aus anderen Städten schnell und praktisch umzusetzen.“
Die Drogenkonferenz war 1990 von den Städten Hamburg, Frankfurt, Zürich und Amsterdam ins Leben gerufen worden. Mittlerweile haben sich dem „Netzwerk von reform-orientierten Drogenstädten“ alle europäischen Metropolen angeschlossen. „Die großen Städte haben täglich mit dem Drogenproblem zu tun, haben aber kaum Kompetenzen, wenn es um die nationale Drogenpolitik geht“, klagte Frankfurts Drogenkoordinator Werner Schneider.
Bossong verwies darauf, daß die offenen Drogenszenen - Stadtteile, in denen auf offener Straße Drogen konsumiert und gehandelt werden - für die Bevölkerung zum Problem geworden sind. „Die bisherige Drogenpolitik hat versagt“, konstatierte Bossong: „Vertreibung und Strafverfolgung waren nicht erfolgreich, sondern haben die Problematik nur verschärft, zur Gewalt und Verelendung in der Drogenszene beigetragen. Wir hoffen, daß die Bundesregierung endlich begreift, daß man mit den alten Konzepten nicht weiterkommt.“
Erste praktische Erfolge der „Städtebewegung“ (Schneider) sind zu verbuchen. So könnten in Hamburg seit einiger Zeit Junkies in „Gesundheitsstuben“ unter ärztlicher Kontrolle ihren Schuß setzen. Frankfurt hat im Rückenwind der Hamburger Bundesratsinitiative zur staatlich kontrollierten Heroin-Abgabe beim Bundesgesundheitsamt beantragt, unter ärztlicher Kontrolle Junkies mit ihren Drogen versorgen zu dürfen. Das CDU-regierte Karlsruhe will sich laut Schneider dem anschließen.
Unmittelbares Resultat der 2. Drogenkonferenz in Zürich ist ein Modellversuch der Stadt, der in diesen Tagen anläuft, berichtet Zürichs Drogenbeauftragter Ueli Locher. Für 6,60 Franken pro Person - umgerechnet zehn Mark - können 200 Junkies ihren Drei-Tages-Heroinbedarf beim Schweizer Bundesgesundheitsamt erwerben und unter ärztlicher Kontrolle spritzen. Für dieselbe Menge müßten auf dem Schwarzmarkt 200 Mark bezahlt werden - für verunreinigten und gestreckten Stoff. Überdies werden in dem Zürcher Modellversuch 250 Menschen mit Morphium und 200 mit der Ersatzdroge Methadon versorgt.
Und auch die 3. Konferenz in Bologna hat bereits Früchte getragen. In einem Referendum hat sich die Mehrheit der italienischen Bevölkerung für eine Entkriminalisierung des Drogenkonsums ausgesprochen. Für die völlige Legalisierung von Cannabis-Produkten (Haschisch, Marihuana) machen sich die DrogenexpertInnen in der „Frankfurter Resolution“ stark. Werner Schneider: „Es gibt in den Großstädten kein Cannabis-Problem. Es gibt aber das Problem, daß Cannabis von Leuten verkauft wird, die in der einen Tasche Cannabis und in der anderen Heroin haben.“ Die Fachleute begrüßen die Beschlüsse mancher Bundesländer, den Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis nicht mehr strafrechtlich zu ahnden. Schneider: „Das kommt einer Legalisierung gleich.“ Um skrupellose Dealer aus dem Markt herauszudrängen, schlägt er die Einrichtung offizieller Coffee-Shops nach Amsterdamer Vorbild vor, in denen Cannabis erhältlich ist.
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