■ Hertha BSC: Komik und Konfusion
Berlin (dpa) – Der Trainerwechsel hat außer neuem Frust und Abstiegsplatz 19 nichts gebracht, jetzt soll der Sturz des Präsidiums den krisengeschüttelten Herthanern die Rettung bringen. Der erste Teil des Plans von Wolfgang Holst ging in einer turbulenten Hauptversammlung des Zweitligisten auf. Mit dem früheren Präsidenten als Wortführer erzwang die Opposition in einem von Komik und Konfusion geprägten Antragsklamauk vorgezogene Neuwahlen im Februar kommenden Jahres. Präsident Heinz Roloff verzichtete, fast wie die Mannschaft auf dem Spielfeld, auf Gegenwehr und redete, schwer verständlich, ganze zwei Minuten zur Versammlung.
So gab Wolfgang Holst wie in seinen besten Zeiten, als er noch „Pater Leppich“ genannt wurde, den Ton an. Wenn er da oben auf dem Podium steht, seine großen Hände faltet, ein sanftes Lächeln aufsetzt und selbst seinen ärgsten Feind mit rollendem „rrrr“ als „mein lieberrrr Frrreund“ anredet, dann ist er schon wieder, was er sein ganzes Leben lang sein wollte: Hertha- Präsident. Formal schiebt er zwar immer wieder einmal den Satz dazwischen, „wenn ich die Verantwortung hätte“, aber die Vision setzt die Realität bereits drei Monate vor der erwarteten Wahl außer Kraft.
Für die Mehrheit der Mitglieder ist der große Magier wieder da. Und sie umtosen ihn mit einem Ausbruch von Begeisterung, als Holst das Schlagwort von der Fusion im Berliner Fußball mit TeBe und Union mit Widerwillen, als handele es sich dabei um etwas sittlich höchst Unanständiges, über die Lippen bringt. „Wir werden keiner Fusion die Hand reichen, wir werden die Wagenburg zusammenschließen.“ Der Saal tobt. Das Schicksal des Berliner Fußballs, der einzigen europäischen Hauptstadt ohne 1. Klasse, interessiert hier keinen. Klar doch, egal, was passiert, Hertha geht ganz allein unter, ohne Stil, aber mit Karacho, wenn es denn sein muß.
Holst zog vom Leder, „Führungstohuwabohu, Mißhandlung unseres Klubs, Misere von nie gekanntem Ausmaß, Entscheidungsohnmacht“ lauteten seine Stichworte. Konzepte, Perspektiven, Wege aus der Krise waren in den Zigarettenschwaden keine zu erkennen. Die vollzählig erschienene Mannschaft erfuhr nur, daß die Funktionäre nicht besser zusammenspielen können als Uwe Reinders und sein abstiegsgefährdetes Team.Hans-Rüdiger Bein
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