: In Polen bleibt das Rote Kreuz alleine
■ Noch keine Privatinitiativen / Viele Flüchtlinge wollen kein Asyl beantragen
In Polen ist die Flüchtlingshilfe immer noch im wesentlichen auf das Rote Kreuz beschränkt. Die taz sprach mit der dortigen Leiterin der Fürsorgeabteilung, Scholastyka Sniegowska. Sie ist zuständig für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen.
taz: Das Polnische Rote Kreuz hat quasi eine Monopolstellung bei der Betreuung von Flüchtlingen, Asylsuchenden und hilfebedürftigen Ausländern. Bilden sich denn inzwischen auch andere Institutionen oder Bürgerinitiativen, die sich um Flüchtlinge kümmern?
Sniegowska: Abgesehen vom Büro des Innenministeriums gibt es noch die Helsinki-Föderation, die uns sehr zur Seite steht, weil sie etwas tut, wozu wir gar nicht die Kompetenz und die Fachleute hätten: Sie erteilt Flüchtlingen kostenlos sehr professionelle Rechtshilfe. Darüber hinaus helfen sporadischen noch Caritas und Kirche.
Wie viele Flüchtlinge versorgen Sie zur Zeit?
Zur Zeit werden zirka 450 asylsuchende Kriegsflüchtlinge, die wir versorgt haben, Zug um Zug dem Büro für Flüchtlingsfragen des Innenministeriums überstellt.
Bleiben die, die keine Anträge auf Asyl stellen.
Das sind nur zehn bis 20 Personen. Die müssen wir weiter versorgen, und wir werden sie zu überzeugen versuchen, einen Asylantrag zu stellen. Das Problem ist nämlich, daß die Finanzhilfen, die wir vom UNHCR und von der Internationalen Föderation des Roten Kreuzes für die Kriegsflüchtlinge bekommen, Ende des Jahres auslaufen. Wir haben dann kein Geld mehr, uns um sie zu kümmern. Wenn sie aber einen Asylantrag stellen, muß automatisch das Innenministerium für sie sorgen.
Warum wollen sie keine Anträge stellen?
Weil sie zum Beispiel schon Einreiseanträge bei verschiedenen Botschaften gestellt haben, die hinfällig werden, wenn sie hier einen Asylantrag stellen. Das ist die größte Gruppe. Und dann gibt es noch die, vor allem aus Jugoslawien, die behaupten, daß ihnen ein Antrag bei der Rückkehr in ihre Heimat schaden würde. Sie warten darauf, daß der Krieg zu Ende geht und sie zurück können.
Haben diejenigen, die weiter nach Westen wollen, denn noch eine Chance, nachdem Polen sicheres Drittland geworden und Readmissions-Abkommen mit nahezu allen Nachbarn abgeschlossen hat?
Kaum. Seit 1. Juli hat selbst Skandinavien die Tür zugemacht. Soweit ich weiß, werden zur Zeit nur noch von der dänischen Botschaft Anträge bearbeitet, bei denen es aber hauptsächlich um Familienzusammenführungen geht.
Sie sind auch zuständig für rumänische Roma und Sinti, die hier in Warschau in den Straßen betteln, in selbstgebauten Slums leben und keine Asylanträge stellen.
Wir kümmern uns um die nur ab und zu: Die wollen nur Geld, andere Formen von Hilfe interessieren sie nicht. Wir haben ihnen oft Essen oder Kleidung angeboten, ohne dabei auf Interesse zu stoßen. Mehr haben wir nicht zu bieten. Klaus Bachmann, Warschau
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