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Stahlstreit unter Genossen

NRW-Regierung will Eko-Subventionen verhindern / Angst um Stahlkonzerne an der Ruhr / Attacken auch gegen SPD-regierte Westländer  ■ Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) – Im Kampf um die Stahlarbeitsplätze in der Bundesrepublik schlagen jetzt auch die sozialdemokratisch regierten Bundesländer aufeinander ein. Besonders scharfe Attacken reitet die nordrhein-westfälische Landesregierung gegen das Eko- Stahl-Modell in Eisenhüttenstadt. Die Düsseldorfer Regierung will mit aller Macht verhindern, daß in Eisenhüttenstadt neue, mit Steuergeldern alimentierte Stahlkapazitäten entstehen. Über die Genehmigung der Subvention in Höhe von gut 800 Millionen Mark wird der EG-Ministerrat aller Voraussicht nach am 17. Dezember entscheiden. Im Vorfeld dieser Sitzung hat der Düsseldorfer Wirtschaftsminister Günter Einert seinem Bonner Kollegen Günter Rexrodt einen Brief geschrieben, dessen Diktion kaum schärfer hätte ausfallen können. Rexrodt wird darin aufgefordert, „jeglichen Subventionen für die Stahlindustrie auf nationaler wie europäischer Ebene eine eindeutige Absage [zu] erteilen“. Die Bundesregierung könne „kaum glaubhaft den Abbau von Subventionen für die Stahlindustrien in Italien und Spanien fordern und gleichzeitig den Anspruch auf neue Subventionen für die deutsche Stahlindustrie [Eko] stellen!“

Wörtlich fährt Einert fort: „Die Praktiken in den Ländern Bremen, Niedersachsen, Saarland und Brandenburg laufen eindeutig darauf hinaus, mit öffentlichen Geldern am Markt nicht mehr lebensfähige Unternehmen zu Lasten solcher, die ihre internationale Konkurrenzfähigkeit unter Beweis gestellt haben, zu erhalten.“ Angesichts von europaweiten Überkapazitäten im Stahlbereich „widerspricht es jeder ökonomischen Vernunft, daß weitere Kapazitäten von fast 1 Mio. Jahrestonnen in Eisenhüttenstadt durch den Einsatz von 800 Mio. DM Steuergeldern aufgebaut werden und dies zu einem zusätzlichen Verlust von Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie Nordrhein-Westfalen führen wird“.

Im NRW-Partnerland Brandenburg stieß der Einert-Brief ganz besonders übel auf. Der dortige Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) sprach von „einer unerträglichen Stimmungsmache“ und kündigte an, daß Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) beim Düsseldorfer Kollegen Johannes Rau (SPD) intervenieren werde. Das kann Stolpe sich sparen, denn der Einert-Brief markiert exakt die neue Düsseldorfer Regierungslinie. Raus engster Vertrauter, der Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei, Wolfgang Clement, wird am kommenden Montag zusammen mit Einert nach Brüssel fahren, um persönlich gegen die Eko-Subvention beim zuständigen EG-Kommissar Karel van Miert Stimmung zu machen.

Der Aufschrei aus Düsseldorf kommt nicht von ungefähr. Er geht zurück auf ein Gespräch, daß die beiden Stahlbosse von der Ruhr, Heinz Kriwet (Thyssen) und Gerhard Cromme (Krupp-Hoesch), Ende November mit der Düsseldorfer Regierung führten. Dabei beklagten sie gegenüber Rau die Subventionspraxis im In- und Ausland und kündigten an, aus eigener Kraft dagegen nicht länger bestehen zu können. Vor allem Konzernchef Cromme steht am Rande des Abgrunds. Insider rechnen in diesem Jahr allein im Stahlbereich des fusionierten Konzerns mit 750 Millionen DM Verlust. Der Gesamtkonzern Krupp-Hoesch hat nach Informationen der Wirtschaftswoche inzwischen rund 8 Milliarden DM Schulden aufgetürmt. Pro Tonne Stahl schlägt sich diese gigantische Verschuldung mit einem Kostennachteil von 50 Mark nieder. Der größte deutsche Stahlkocher, die Thyssen Stahl AG, fuhr im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden DM Verlust ein. Weil Thyssen aber in den zurückliegenden 6 Jahren im Stahlbereich rund 3 Milliarden DM Gewinn gemacht hat, kann der Gigant auch solche horrenden Verluste verdauen, ohne ins Straucheln zu geraten.

Wesentlich günstiger steht inzwischen die Konkurrenz dar. Nach dem erfolgreichen Vergleich – die Gläubiger verzichteten auf 1,6 Milliarden DM – gehört die neu formierte Klöckner-Hütte inzwischen zu den Branchenbesten. Befreit von drückenden Zinslasten und durch frisches, zum Teil von landeseigenen Unternehmen stammenden Beteiligungskapital in Höhe von 250 Millionen Mark aufgepäppelt, erwirtschaftet die Klöckner-Hütte inzwischen schon wieder ein ausgeglichenes Ergebnis. Ohne das Engagement der öffentlichen Unternehmen, der „verdeckten Subvention“, wie es in Düsseldorf heißt, stünde Klöckner schlechter dar als die Ruhrkonkurrenz.

Subventionen wirft man auch der Hannoveraner Regierung vor. Die Millionen an „Forschungshilfen“, die die Schröder-Regierung für den Elektroofen in die Georgsmarienhütte bei Osnabrück zur Verfügung stelle, sei nichts weiter als eine verdeckte Subvention. Im Hannoveraner Wirtschaftsministerium hat man dagegen „ein gutes Gewissen“. Der Sprecher des Ministeriums gibt sich zuversichtlich, daß die EG-Kommission die „Forschungshilfe“ genehmigen wird.

Auch in Bremen reagiert man nach außen gelassen auf die Düsseldorfer Rundumschläge. Die Sanierung der Klöckner-Hütte, so der Sprecher des Wirtschaftsministers, verstoße in keinem Punkt gegen das Subventionsverbot der EG. Klagen aus Brüssel gebe es deshalb auch nicht. Die von Düsseldorf geforderte Einberufung einer „nationalen Stahlkonferenz“ lehnt man in Bremen rundweg ab: „Die kann nichts bringen.“

Rund 220 Millionen Mark stellt das Saarland der maroden Saarstahl AG zur Verfügung. Über einen Zeitraum von 8 Jahren soll damit der Unternehmensanteil an den Sozialplänen finanziert werden. Auf solche Landeshilfen spekulieren inzwischen auch die Ruhrbarone. Wenn schon die öffentlichen Quellen sprudeln, dann will man sich daran auch an der Ruhr laben. Schon warnt das Rheinisch Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen vor einem „landespolitischen Unterstützungswettlauf“. Die Stahlpolitik in Deutschland und Europa drohe die alten Fehler zu „wiederholen“.

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