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Grenzen der Wissenschaft

■ betr.: „Erbitterter Streit um Affen versuche“, „Im Dienste der Allge meinheit“, taz vom 6.12.93, und Berichterstattung zur Gentechnik, Versuche an Leichen, Tierversu che etc.

Die Reaktionen der Wissenschaft auf die Diskussion um die geplanten Münchener Tierversuche an Makaken zeigen in besonders erschreckender Weise, daß sich die Forschung für absolut hält – losgelöst von der Gesellschaft, ihren Werten und ihren Konditionen. Wissenschaft ist jedoch nicht das gut bezahlte Hobby einiger Individualisten, sondern eine von der Gesellschaft an die entsprechenden Forscher delegierte Sozialleistung. Deshalb hat auch die Bevölkerung zu entscheiden, welche Forschung sie will und welche nicht. Ob es um Tierversuche, Gentechnik oder die wissenschaftliche Verwendung von menschlichen Leichen geht: die Grenzen legt die Gesellschaft fest. Es geht schließlich um unsere Entwicklung, unsere Gesundheit, unser Wissen und unseren Fortschritt.

Regelmäßig wird uns mit der „Wissenschaftsfreiheit“ aus Grundgesetz-Artikel 5 Absatz 3 gedroht. Diese Naturwissenschaftler sollten sich von ihren Kollegen der Rechtswissenschaft darüber aufklären lassen, daß dieses Grundrecht eine sozial (also gesellschaftlich) gebundene Freiheit ist; als Abwehrrecht verstanden gilt die Wissenschaftsfreiheit nur gegenüber dem Staat – gegenüber Regierung und Verwaltung. Sie dürfen nicht willkürlich in Forschung und Lehre eingreifen. Den gesellschaftlichen Willen legislativ umzusetzen hingegen ist Pflicht der Parlamente.

Die Forschung hat sich mit dem Freiraum zu begnügen, der ihr von der Bevölkerung zugewiesen wird. Wissenschaft ist kein autonomes System zur Gestaltung von Forscherkarrieren.

Wenn die Mehrheit der Bevölkerung (bestimmte) Tierversuche, Crashtests an Leichen, Menschenversuche wie das Erlanger-Baby- Experiment oder irgendwelche Entwicklungen der Gentechnik ablehnt, dann will sie auf möglicherweise durch die Versuche gewinnbares Wissen verzichten. Wenn es in der öffentlichen Diskussion nicht gelingt, vom Gegenteil zu überzeugen, dann hat sich die Wissenschaft diesem Volkswillen zu beugen – und Tierversuche wie die geplanten Makaken-Experimente oder die anderen genannten Versuche sind passé. Timo Rieg, Bochum

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