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Goldene oder stählerne Hände?

Heute entscheidet der EU-Ministerrat über das Schicksal von Eko-Stahl / Wer ist eigentlich der Kaufinteressent, Stahlfabrikant Emilio Riva?  ■ Aus Rom Werner Raith

„Der Mann“, wundert sich ein Börsenspezialist der Wirtschaftszeitung Il sole 24 ore, „ist entweder mit dem sprichwörtlichen Goldenen Löffel im Mund geboren worden, oder er ist durchtriebener als alle anderen.“ Das Politmagazin Panorama bescheinigt ihm, seine Geschäfte in einer Art „Pokerpartie“ abzuspulen, und der Staatsrundfunk RAI sieht in ihm „eines jener wenigen Highlights, die in einer Zeit zunehmender Kolonialisierung Italiens ihrerseits ausziehen und Kolonien in anderen Ländern einrichten“.

Das Land, das derzeit die ganze Poker- und Kolonisationsliebe Emilio Rivas, des mächtigsten Stahl- und Eisenfabrikanten Italiens (und bald wohl auch Europas) auf sich gezogen hat, ist Deutschland. Seit Monaten, zuerst eher leise, mittlerweile mit Getöse – und einem erstaunlich positiven Presseecho in der BRD – verhandelt der mit der Treuhand um den Kauf der Eko-Stahl in Eisenhüttenstadt. Kaufpreis: eine Mark. Dafür aber will Riva 100 Millionen Mark investieren, vorausgesetzt allerdings, daß auch dabei die Treuhand kräftig mitkreditiert. Sie dürfte dafür 40 Prozent behalten.

Nach Spanien, Frankreich und Belgien, wo Riva mit fünf Firmen fast die Hälfte seines Jahresumsatzes von umgerechnet 2,6 Milliarden Mark einholt, wäre der Erwerb von Eko eine Art Krönung und Abrundung des Riva-Imperiums. Und das auch, wenn der Konzern für den Erwerb von Eko-Stahl das schon in seinem Besitz befindliche vergleichsweise mickrige Werk in Hennigsdorf auf EU-Geheiß schließen müßte. Selbst zu den Branchenführern British Steel oder Usinor Salicor könnte Riva bald aufschließen. Zumal diese aufgrund der Rezession mächtig Minus machen. Meister Riva mit seinem undurchsichtig-freundlichen Gesicht Typ Johannes Heesters weist indessen allein 1993 schon ein Plus von 39 Prozent gegenüber dem Vorjahr aus.

„Wie schafft der das nur?“ fragt la Repubblica. Schließlich trudeln alle Eisen- und Stahlabnehmer, von Auto- über Rüstungsfabriken bis zu Betonarmierern, heute in der tiefsten Rezession der Nachkriegszeit. Derartig massive Zuwachs-Ausweise in einer Branche, bei der heute keiner etwas bestellen mag, kannte man bisher nur bei riesigen Zuflüssen illegaler Gelder, sprich als Geldwäsche.

Doch Riva scheint sauber – so sauber, daß sich gerade deshalb die Verdächtigungen entwickeln. Weder haben ihm die Staatsanwälte der Korruptionsermittlungen „Mani pulite“ Ermittlungsbescheide zugestellt, noch sind ihm unlautere Geschäfte in Italien vorzuwerfen. Im Gegenteil, wo immer Riva auftauchte, ging's ans Sanieren. Nur: So wie er saniert, hat man noch keinen Manager je sanieren gesehen. Er erhält die Arbeitsplätze und die Standorte, geht weder an Lohnkürzungen noch an massive Umstrukturierungen heran. Er schießt einfach unheimlich viel Geld ein. Allerdings ist er auch Meister im Anzapfen öffentlicher Quellen.

In Italien hat er erst mal gewartet, bis die anderen „Sanierer“ allesamt an der verqueren EG-Quotierung für Staatsbetriebe oder solche mit Staatszuschüssen gescheitert waren. Dann besetzte er mit seinen Privatunternehmen die nichtquotierten „Nischen“, oder er paralysierte das, was staatlich geförderte Betriebe noch produzieren durften, durch entsprechende Beteiligungen.

Genau an dieser Stelle wächst denn auch sein Appetit auf „la Germania“: In Italien ist auf längere Sicht durch die EG-Quotierungen nicht mehr mit weiteren Staatszuschüssen zu Stahl- und Eisenwerken zu rechnen. Bekommt er in Deutschland staatliche Fördermittel, belastet das die deutschen, nicht die italienischen Quoten. Dies ist das Poker-As im Ärmel Rivas: Gleichgültig wie es ausgeht, die Deutschen werden geschwächt. Bekommen Thyssen oder die Hamburger, die auch mitbieten und die die EU angerufen haben, doch noch den Zuschlag, gehen die Zuschüsse voll zu Lasten ihrer anderen Werke in Deutschland. Bekommt er ihn, müssen die Deutschen die Quoten mit ihm teilen.

Kriegt er Eko-Stahl, kann er nicht nur, eigenen Angaben zufolge, seinen Umsatz um weitere 20 Prozent steigern. Er könnte auch noch eine weitere Fliege mit der einen Klappe schlagen: In Eisenhüttenstadt fehlt, um das an sich schon gigantische Werk zu einer wahren Monopolstellung auszubauen, nur noch ein Walzwerk. Das aber könnte Riva, ebenfalls für'n Appel und 'n Ei, vom italienischen Staat bekommen. Das Stahlwerk in Bagnoli bei Neapel nämlich wurde, der Quotierung wegen, bereits geschlossen. Und die letzte Modernisierung, die dort stattgefunden hatte, war eben die Einrichtung einer funkelnagelneuen Walzanlage.

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