: Hochdruckzonen stören nur Ohne Stürme wäre die Erde unbewohnbar / Wen stört da eine Flutkatastrophe?
In Köln laufen die Keller voll, an der Saar sind die Städte von der Außenwelt abgeschnitten und am Neckar kommt der Postbote mit dem Ruderboot. Nur die HanseatInnen an der Weser halten ihre Füße schön trocken. Während Südwestdeutschland unter dem schlimmsten Hochwasser seit 45 Jahren leidet, die Menschen mit knapper Not den plötzlich anschwellenden Flüssen entkommen, melden Wetteramt und Wasserwirtschaftsamt „keine verschärfte Situation“ für die Weser und die Flüsse um Bremen.
Das Orkantief „Victoria“ hat bisher im Süden drei Menschen umgebracht. Im Gegensatz zu den Überschwemmungsgebieten hatte Norddeutschland einfach Glück, weil es hier weniger geregnet hat, meint Martin Gerken vom Wasserwirtschaftsamt. „Die Böden sind auch hier voller Wasser, wenn es da mal einen Tag richtig regnet, sind alle Flüsse voll.“
Probleme gibt es in Bremen erst, wenn in der Weser mehr als 2000 Kubikmeter Wasser in der Sekunde abfließen, meint Gerken. Und wenn sich Eis staut und das Weserwehr defekt ist, wie bei der Flutkatastrophe von 1981, merkt auch Bremen, daß es „Stadt am Fluß“ ist.
Nördlich von Bremen stehen dagegen die Wümme- und die Hammewiesen unter Wasser. „Das höchste Hochwasser seit sechs Jahren, aber noch relativ normal“, meint Christoph Zöckler vom WWF-Projekt Wümmewiesen. Durch den Ausbau der Wümme und die Trockenlegung des Moores komme jetzt das Wasser bei schweren Regenfällen viel schneller nach Bremen als früher, es gebe höhere Hochwasser und niedrigere Niedrigwasser als noch vor wenigen Jahren. Schaden richtet das Hochwasser auf den Wümmewiesen aber nicht an, meint Zöckler: zwar ersaufen ein paar Mäuse und Maulwürfe, aber die seien im Frühjahr wieder zahlreich. „Es gibt sogar spezielle Regenwürmer, die sich an die Überflutungen angepaßt haben.“ Die überschwemmten großflächigen Wiesen sind sogar ökologisch durchaus wichtig: Sie dienen als beliebter Rastplatz für sibirische Zugvögel auf ihrem Weg in den Süden.
Was normalen Menschen beim Bremer Wetter schon gar nicht mehr auffällt, registrieren die Wetterfrösche am Flughafen sehr aufmerksam: „Seit drei Wochen liegen wir deutlich über der normalen Niederschlagsmenge für diese Jahreszeit“, sagt Günther Fleischhauer vom Wetteramt. „Das Wetter holt sozusagen den zu trockenen und zu kalten November nach.“ Aber in der norddeutschen Tiefebene gebe es normalerweise keine großen Flutkatastrophen, weil die Flüsse hier in die Breite gehen können.
Fleischhauer verteidigt aus höherer Warte den guten Ruf der Tiefdruckgebiete, die dem Normalmenschen immer nur als lästige Überbringer von Wolken, Sturm und schlechtem Wetter gelten. „Der Begriff „Wetterstörung“ für Tiefdruckgebiete ist ganz falsch. Die eigentlichen Störer sind die Hochdruckgebiete. Denn der Tiefdruck sorgt dafür, daß über die Winde und Stürme die Wärmeenergie vom Äquator an die Pole verteilt wird.“ Ohne die Stürme herrschten auf der Erde bald Zustände wie auf unbewohnbarten Planeten: Eine sehr heiße Zone am Äquator und der Rest des Planeten voller Eis. Was ist dagegen schon ein Jahrhunderthochwasser? bpo
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