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„Wenn Sie das nicht lustig finden, verstehen Sie nichts davon“

Wer hat die Bilder verraten? Im Frankfurter Kunstverein wird die Beziehung von Text und Bild in der Ausstellung „Die Sprache der Kunst“ als Jahrhundertthema enzyklopädisch durchexerziert  ■ Von Britta Färber

Eins wird schnell klar: Diese Ausstellung soll nicht bloß glänzen, sondern „Die Sprache der Kunst“ will selbst Zeichen setzen. Picasso und Braque bilden den Auftakt dieser Leistungsschau, es folgen die Italiener Ballà und Severini, die Russen Malewitsch und El Lissitzky und die Deutschen Klee und Itten. Nicht minder hochkarätig geht's weiter von der Klassischen Moderne bis zur Gegenwartskunst. 170 KünstlerInnen, so gut wie alle von Rang und Namen, sind mit über 500 Arbeiten unter dem Themenschwerpunkt „Sehen/Lesen“ vertreten.

Zu einem Zeitpunkt, wo drastische Etat-Kürzungen den MuseumsdirektorInnen rundherum das Wasser bis zum Hals stehen lassen, scheint die große Stunde Peter Weiermaiers gekommen zu sein. „Klotzen, nicht kleckern“ – diese denkbar unzeitgemäße Devise muß es dem Leiter des Kunstvereins und den zwei Wiener KuratorInnen Toni Stooss und Eleonora Louis angetan haben. Und so kann es schwerlich verwundern, daß die Schau, obschon gemeinsam mit der Kunsthalle Wien konzipiert, die bislang teuerste und umfangreichste Ausstellung des Kunstvereins überhaupt ist.

Dankbar für ein solches Großprojekt ist das Thema „Text und Bild“ in jedem Fall. Denn mit kaum einem anderen Schwerpunkt läßt sich die Kunst des 20. Jahrhunderts derart umfassend abhandeln, nämlich nahezu enzyklopädisch.

Gewiß ist die Auseinandersetzung mit Sprache im Bild keine Erfindung der letzten hundert Jahre, wie unlängst eine Ausstellung in der direkt benachbarten Schirn Kunsthalle bewies. Die Kunstproduktion des 17. Jahrhunderts wurde dort mit „Leselust“, einer Auswahl niederländischer Malerei, unter eben diesem Aspekt beleuchtet. Doch eine zentrale Bedeutung gewann die Integration von sprachlichen und bildnerischen Zeichen erst in unserem Jahrhundert. Am Anfang war der Buchstabe – Lettern fallen senkrecht das Blatt herab. „Il pleut“ – es regnet Verse. Guillaume Apollinaires Bildgedicht von 1918 – aus seiner Serie der „Calligrammes“ – zeigt, wovon es spricht.

Umgekehrt entdecken Maler in den zehner Jahren den reichen Fundus der Sprache. In kubistischen und futuristischen Gemälden tauchen zunehmend Wortsplitter- und Buchstabenmixturen auf. Als Realitätsfragmente erlauben sie vielfache Assoziationen: Die Namen „Mozart“ und „Kubelick“ neben der von Braque 1912 malerisch zerschlagenen Violine etwa, auf dessen Bild sich wiederum Picassos Gemälde „Bouillon Kub“ aus dem gleichen Jahr bezieht.

In den typographischen Experimenten des Futurismus und der russischen Avantgarde wird die Schrift dynamisiert. Die Lettern geraten außer Rand und Band und schütteln nach und nach auch ihre semantischen Bindungen ab. Es entstehen sinnig-unsinnige Kombinationen und schließlich schier unverständliche Lautfolgen wie Raoul Hausmanns Plakattext „fmsbwtözäupggiv-..?mü“. Letztlich stellt Dada hier die Regelung der Sprache zur Disposition. Darüber hinaus demonstrieren typographische Fundstücke wie Zeitungsschnipsel in den dadaistischen Collagen Hanna Höchs oder in Kurt Schwitters' Merz-Kunst den Willen, die starren Grenzen zwischen Hoch- und Alltagskultur zu unterwandern.

Eine neue Reflexionsebene erreicht der Gebrauch von Sprache im Kontext der visuellen Künste im Surrealismus mit René Magritte. Seine Tintezeichnung „Miroir Magique“ von 1928/29 zeigt einen Spiegel ohne Bild. Einzig die Worte „Corps humain“ bezeichnen das, was man zu sehen erwartet. Ein Zeichensystem ersetzt das andere. Magrittes Überlegungen zu Sprache und Bildern und weitergehend zum Verhältnis von Zeichen und Bezeichnetem münden in dem legendären „Verrat der Bilder“. Die berühmte, durch ihre Unterschrift denunzierte Pfeife ist in der Frankfurter Ausstellung zwar nicht zu sehen, aber dennoch ein Bezugspunkt. Zunächst ist da ein Vorläufer, „La premier pipe“ Magrittes von 1923 – in schöner Harmonie verdoppelt hier die Schrift das Bild. Auch Marcel Broodthaers bewegt sich in diesem Rahmen: Ihm ist nur zuzustimmen, wenn er ein Gemälde von 1967 frech mit dem Schriftzug „Ceci n'est pas un Magritte“ versieht. Einen Schritt weiter geht Marcel Marien, indem er den beflissenen Kunstrezipienten provoziert. Die 1976 entstandene Pfeife, in der eine Haarnadel steckt, ist unterschrieben mit den Worten „Wenn Sie das nicht lustig finden, verstehen Sie nichts davon“. Unmittelbar an der Bildfolge werden so Traditionslinien offengelegt. Gleichzeitig wird illustriert, wie sich der Akzent der künstlerischen Arbeit verschiebt.

Ähnlich direkte Vergleiche ermöglicht die Zusammenschau der dadaistischen Sektion mit den neo- avantgardistischen Bewegungen Fluxus und Pop-art. Als Mittler zwischen den Künstlergenerationen fungiert Marcel Duchamp. Das gedankliche Kernstück seiner Meta-Kunst, das Konzept des Readymades, wird in den sechziger Jahren zum Grundstock künstlerischer Arbeit. Auch die Ironie, der absurde Humor, die Duchamps Umgang mit Sprache charakterisieren, werden von den jüngeren Künstlerkollegen wie George Macunias oder Ben Vautier adaptiert oder schlagen in puren Jux um. Eine kaum zu überbietende Marke setzt Piero Manzoni 1961: Klein und unscheinbar ist die Blechdose, der es durch ihr Etikett „Künstlerscheiße“ jedoch gelingt, künstlerische Produktion per se ad absurdum zu führen.

Auf der anderen Seite gewinnt die Sprache im Bild nun appellativen Charakter. Plakative politische Statements sollen gerade im Kunstkontext reizen und aufrütteln. Prägnantes Beispiel ist Beuys' oft mißverstandener Aufruf von 1977: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“

Soweit, so gut – das Material ist erstklassig, der Rahmen überschaubar, bis hierhin kann die Ausstellung überzeugen. Aber „the show must go on“. Und eigentlich soll sie jetzt erst richtig interessant werden. Denn nun rückt die jüngste Gegenwartskunst in den Fokus. Einen kompletten Ausstellungskomplex bildet hierbei die US- amerikanische Kunstszene: von Jenny Holzer bis Mike Kelley, von Joseph Kosuth bis Jean-Michel Basquiat sind alle Größen dabei. Nicht ganz so etabliert ist eine Reihe jüngerer Künstler aus Los Angeles. Zweifelsohne politically correct rekurieren sie auf Klischees und Formen des Comic-Strips und der Populärästhetik, wobei auch subkulturelle Phänomene nicht ungeschoren davonkommen. So hat Paul McCarthy auf der bruitistischen Strichzeichnung „Ohne Titel (Guenzani No. 22) den männlichen Körper in lauter four- lettered words aufgelöst.

Mehr und mehr schält sich das Problem der Ausstellung heraus. Wie einen breiten Überblick bieten, ohne in Beliebigkeit abzurutschen? Nicht zuletzt die in solchen Fällen gerne zu Rate gezogene „postmoderne Vielfalt“ macht diesem Anliegen einen Strich durch die Rechnung. Wenn nahezu jeder Kunstschaffende im Umgang mit der Sprache eigene Strategien entwickelt – und das in welchem Medium auch immer –, werden einzelne Positionen fast austauschbar. Und so entpuppt sich die Stärke der Schau als ihre eigentliche Schwäche. Sie mutiert zur puren Materialschlacht. Angesichts der Qualität der einzelnen, gerade auch der zeitgenössischen Exponate muß das schmerzen.

Nochmals wird hier ein längst, und nicht nur aus kulturpolitischer Pragmatik, totgeglaubtes Konzept in aller Breite durchexerziert: die repräsentative Übersichtsschau. Das läßt hoffen! Demnächst vielleicht doch „Das Licht in der bildenden Kunst – von Tintoretto bis Turrell“?

„Die Sprache der Kunst – Die Beziehung zwischen Text und Bild in der Kunst des 20. Jahrhunderts“ ist bis zum 20.2. im Frankfurter Kunstverein zu sehen. Parallel dazu ist ein umfangreicher Katalog in der Edition Cantz erschienen, 400 S., 88 DM.

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