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Militärs nehmen Jemens Einheit unter Beschuß

■ Das 1990 vereinte Land auf der arabischen Halbinsel steht vor einer Zerreißprobe

Berlin (taz) – Die Krise zwischen den seit Mai 1990 vereinigten beiden Teilen Jemens scheint nun auch militärisch ausgetragen zu werden. Nach Angaben des regierenden Allgemeinen Volkskongresses (AVK) bombardierte am Montag ein aus dem Süden kommendes Kampfflugzeug eine Militärbasis im Norden. Zwar soll bei dem Angriff niemand verletzt worden sein, der politische Schaden ist jedoch beträchtlich. Der Kommandant des Stützpunktes, von dem aus die Maschine gestartet sein soll, bestritt den Angriff. Die Maschine habe sich lediglich auf einem Routineflug befunden, erklärte er. Gleichzeitig warf er dem AVK vor, an der ehemaligen Grenze zwischen dem Norden und dem Süden Truppen zusammenzuziehen. Die Armeen der ehemals sozialistischen Volksrepublik im Süden und die des Nordens wurden bisher nicht zusammengeschlossen. Bereits in der vergangenen Woche soll es an der ehemaligen Grenze zu Schießereien zwischen Soldaten der rivalisierenden Truppen gekommen sein.

Trotz der Vorfälle unterzeichneten die wichtigsten politischen Kräfte des Landes am Dienstag im südjemenitischen Aden ein Abkommen über einen Rückzug der Truppen von der früheren Grenze. Desweiteren soll ein Versöhnungstreffen zwischen dem aus dem Norden stammenden Präsidenten und AVK-Vorsitzenden Ali Abdullah Salih und seinem aus dem Süden stammenden Stellvertreter und Generalsekretär der „Jemenitischen Sozialistischen Partei“ (JSP), Ali Salem Albaid, eingeleitet werden. Beobachter geben dem Abkommen jedoch wenig Chancen. Obwohl alle jemenitischen Parteien ihre Treue zur Einheit beteuern, ist die Gefahr einer erneuten Teilung des Landes beachtlich.

Die politische Krise hat sich seit den ersten demokratischen Parlamentswahlen im April 1993 zugespitzt. Das Wahlergebnis brachte die alte politische und ideologische Spaltung zwischen beiden Landesteilen zum Ausdruck. Im nördlichen Teil ging der AVK als Sieger hervor, verfehlte jedoch die absolute Mehrheit. Die islamische Partei der Islah (Reform) errang den zweiten Platz. Im Süden gewannen die Kandidaten der JSP fast alle Mandate. nach den Wahlen kam es zum totalen politischen Bruch zwischen Salih und Albaid. Das politische Leben ist infolgedessen seit Juli 1993 völlig gelähmt.

Hinter dem Streit stehen auch die Ängste der politischen Vertreter des Südens vor der Übermacht des Nordens. Die Sozialisten werfen Präsident Saleh vor, ihre politische Rolle im einheitlichen Staat einzuschränken. Außerdem klagen sie über zahlreiche seit 1990 erfolgte Anschläge gegen führende Mitglieder ihrer Partei. Im vorigen Jahr fiel der Neffe Ali Salem Albaids einem Mordanschlag zum Opfer. Angeblich galt das Attentat eigentlich Albaids Sohn.

Die politische Krise verschärft die Lage der ohnehin schon schwer angeschlagenen jemenitischen Wirtschaft. Der mit 14 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Staat der Golfregion verfügt im Gegensatz zu seinen reichen Nachbarn nur über sehr geringe Erdölvorkommen. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von umgerechnet etwas mehr als 1.000 Mark gehört er zu den armen Länder der Erde. Der Mangeö trieb die Jemeniten stets in die Emigration. Bis zum zweiten Golfkrieg arbeiteten etwa 1,5 Millionen Jemeniten in den benachbarten Ölstaaten. Aufgrund der neutralen Haltung der jemenitischen Regierung während der Kuwait-Krise im Jahr 1990 fielen sie bei den Golfmonarchien in Ungnade. Eine Million jemenitischer Arbeiter wurde im Frühjahr 1991 überwiegend aus Saudi-Arabien ausgewiesen. Nachdem sie zuvor mit jährlichen Überweisungen von etwa 2,2 Milliarden Mark ihre Familien zu Hause über Wasser gehalten hatten, kehrten sie nun als mittellose Flüchtlinge in das eigene Land zurück.

Jemen ist inzwischen mit über 8,5 Milliarden US-Dollar im Ausland verschuldet. Massenarbeitslosigkeit, Armut und eine galoppierende Inflation führten Anfang des Monats zu Protestdemonstrationen in der Hauptstadt Sana und in der Stadt Tais im Süden. Auslöser dieser Proteste war der Verfall des Wertes der jemenitischen Währung. Offiziell bekommt man für einen US-Dollar zwölf jemenitische Rial. Auf dem Schwarzmarkt stieg der Wert des Dollars jedoch innerhalb einer Woche von 60 auf 75 Rial. Die meisten Konsumgüter sind damit für die Mehrheit der Bevölkerung unbezahlbar.

Obwohl die Krise bisher den nationalen Rahmen nicht überschritten hat, besteht die Gefahr, daß die umliegenden Staaten sie ausnutzen werden. Die Monarchen am Golf haben keine Sympathien für den Demokratisierungsprozeß im Süden der arabischen Halbinsel. Zudem beansprucht Saudi-Arabien große jemenitische Gebiete an der noch immer nicht markierten Grenze zwischen beiden Staaten, denn unter dem umstrittenen Wüstensand lagern große Erdölvorkommen. Abdul Mottaleb Husseini

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