Geld für Atom-Pilze

■ Land zahlt für Verluste nach Tschernobyl

Ein niedersächsischer Bauer, der wegen der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl mit seiner Freiland- Pilzzucht scheiterte, kann mit einer Entschädigung aus der Landeskasse rechnen. Das geht aus einem Urteil des 3. Senats des Lüneburger Oberverwaltungsgerichts hervor, der am Montag ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stade aufhob und einem jungen Landwirt aus Rockstedt (Kreis Rotenburg/Wümme) damit im wesentlichen Recht gab. Grundlage des Rechtsstreits sind nach dem Atomunfall von 1986 erlassene Landesregelungen, mit denen Schäden im Zusammenhang mit dem Unfall bei Existenzgefährdung ausgeglichen werden sollten.

Eine derartig starke Gefährdung des Betriebes wurde seinerzeit bei einem Gesamtrückgang der Einnahmen von mehr als 30 Prozent angenommen (Aktenzeichen: 3 L 1211/91). Die zuständige Lüneburger Bezirksregierung mußte sich nun vom Gericht sagen lassen, sie habe die offensichtlich vorliegende Existenzgefährdung des bäuerlichen Betriebes nicht ausreichend geprüft. Sie habe das Verfahren „nicht zu Ende gedacht“ und damit ihr Ermessen verkürzt wahrgenommen, als sie Einnahmeverluste von 25 Prozent festlegte.

Der Bauer muß nun einen neuen Bescheid erhalten. Der noch vom Verwaltungsgericht in erster Instanz gemachte Vorschlag, zur Betriebsrettung nach der Pilz-Pleite wieder mit Bullenmast zu beginnen, schlage schon aus Mangel an Kapital fehl, meinten die Lüneburger OVG-Richter. Der junge Bauer hatte 1985 auf einem Hektar seines 38-Hektar-Betriebes mit der Zucht von Kultur-Träuschlingen – auch Braunkappen genannt – begonnen. Als sich am 26. April 1986 der Atomunfall von Tschernobyl ereignete, war der Absatzmarkt für frische Pilze kaputt: 600 Kilo pro Tag landeten im Müll, fast 80 000 Mark minus wies die Bilanz des Bauern auf. „Der Ruf war ruiniert“, stellte der Landwirt fest, der allein für Pilzbrut und Stroh 27 000 Mark investiert hatte. dpa