: Odyssee eines Drittstaaten-Flüchtlings
■ Diakonisches Werk präsentierte gestern Fall-Dokumentation zur Drittstaatenregelung
Hannover (taz) – Der 22jährige Kosovo-Albaner K. war der erste Flüchtling, über den in der niedersächischen Zentralen Anlaufstelle in Braunschweig nach der Drittstaaten-Regelung entschieden wurde, und so stammt der erste ablehnende Bescheid schon vom 14. Juli letzten Jahres. Lapidar stellt das Bundesamt für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge dar, daß „dem Antragsteller aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht“ und ordnet gleichzeitig dessen „Abschiebung nach Polen“ an. Am 1. Juli, dem Tag des Inkrafttretens des neuen Asylrechts, war K. in die BRD eingereist. Am 2. September hatte er das neue verkürzte Verfahren endgültig durchlaufen und wurde vom Bundesgrenzschutz nach Polen abgeschoben. Heute wartet er in einem niedersächsischen Flüchtlingswohnheim wiederum auf eine Entscheidung über sein Asylverfahren, mit guten Aussichten auf Erfolg: Das für ihn zuständige Verwaltungsgericht Braunschweig etwa geht von einer „Gruppenverfolgung“ der Kosovo-Albaner aus.
Seinen erneuten Aufenthalt in der Bundesrepublik hat K. nicht zuletzt dem Diakonischen Werk in Braunschweig zu verdanken, das wie in allen niedersächischen Zentralen Anlaufstellen des Landes auch in Braunschweig mit eigenen Beratungstellen Flüchtlinge betreut und jetzt die Geschichte des ersten niedersächischen Drittstaaten-Flüchtlings mit Unterstützung der Vertreter des UNHCR in Bonn und Warschau genau dokumentiert hat. Die Braunschweiger Flüchtlingsberatungsstelle hatte im Juli den 22jährigen so gut es ging auf die Abschiebung nach Polen vorbereitet: K. hatte einen ins polnische übersetzten Asylantrag bei sich, der seine Mißhandlung durch serbische Polizisten schilderte und seine anschließende Flucht. In Polen allerdings machte K. unerwartete Erfahrungen. Von seinem Asylantrag wollten die polnischen Grenzbeamten nichts wissen. Man forderte ihn auf, schnellstmöglich von der Grenze zu verschwinden. K. schlug sich nach Warschau durch. Erst mit Hilfe des polnischen Vertreters des UNHCR konnte er dann seinen Asylantrag stellen. Schließlich befragten ihn abwechselnd vier Militärangehörige, ohne daß dabei ein Dolmetscher anwesend war. K. wurde klargemacht, daß er mit seiner Abschiebung nach Serbien zu rechnen habe, da Polen und Serbien befreundete Staaten seien.
Über die grüne Grenze kehrte K. daraufhin in die BRD zurück und fand beim Verwaltunsgericht Braunschweig verständige Richter. Diese verboten eine erneute Abschiebung erst einmal, weil auf ihn nun doch das neue Asylrecht noch nicht anwendbar sein soll. Anscheinend haben auch Richter manchmal Mitleid. Jürgen Voges
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