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Die Bläser-Rebellen

■ Aus Anti-Blasmusiks Zeiten: „O, Schreck Blas Nach“ spielt heute bei KarneKraWalle

Sie sind alle nicht mehr die Jüngsten, die Bläser von O Schreck Blas Nach. Und sie wirken überhaupt etwas anachronistisch in ihrer ernsten Kleidung und der fast schüchtern bedächtigen Art, mit der sie bei allerlei öffentlichen Anlässen ihre Blasmusik blasen. Klarinetten, Trompeten, Rhythmusinstrumente und ein Saxophon, damit spielt die Bremer Bläsertruppe jiddische Lieder und klassische Volksmusik, Auch mal das Solidaritätslied und so einiges aus dem weiten Bereich des Jazz. „Man muß allerdings anmerken“, sagt Klarinettist Volkfried Dittler mit schönem Selbstbewußtsein, „daß unsere spezielle Eigenart darin besteht, Jazz zu spielen, obwohl wir es eigentlich nicht können...“

Es ist nicht ganz sicher, ob O Schreck Blas Nach sechs oder sieben Mitglieder hat, auch nicht, ob eine Frau nun dazugehört oder doch nicht – die Mitglieder haben gewechselt und wechseln immer wieder seit der Gründung der Gruppe Anfang der 80er Jahre.

Manfred Kraatz immerhin, der Weißhaarige, der meistens einen runden Hut trägt, war schon in der Gründerzeit dabei. Der Zeit, als überall in Deutschland alternative Blasorchester entstanden, mit Namen wie Tuten und Blasen, Ekelerregerländer, Zapfenfrei Blasen und IG Blech, die in der Friedens- und Antiatombewegung aufspielten. O Schreck Blas Nach entstand aus der Friedensinitiative im Ostertor. Sie begleiteten Straßentheater und Ostermarsch, sie standen vorm „Engel“ und auf dem Flohmarkt, demonstrierten gegen die militärische Musikveranstaltung „Musik der Nationen“ und spielten auf antifaschistischen Demonstrationen und für Amnesty International.

Damals gab es bundesweite Treffen der alternativen Bläser, heiße politische Diskussionen und immer wieder Streit zwischen Fundamentalisten und Gemäßigten. Die einen erteilten allem, was an traditionelle deutsche Blasmusik erinnerte eine entschiedene Absage, die anderen ließen sich auch schon mal, schön ironisch natürlich, auf „Die Reise ins Glück“ oder das „Weserlied“ ein.

Die Zeiten aber haben sich inzwischen geändert. „Manchmal geben wir wieder Eisler und Weil, aber das sind gewissermaßen die letzten Zuckungen vom Kampf gegen das Bestehende“, sagen Manfred Kraatz und Volkfried Dittler. Halb bedauern sie es, halb sind sie wohl auch ganz froh darüber, daß sie in O Schreck Blas Nach einfach nur zusammen spielen können. Die Truppe probt einmal wöchentlich in der Kulturwerkstatt Westend, wo ihnen der Jazzpianist Jan Christoph zeigt, wie man Noten für ein Bläserensemble arrangiert und vor allem, wie man die verdammt schweren jazztypischen Rhythmusverschiebungen hinbekommt.

Heute abend und am Sonntag bläst O Schreck Blas Nach in der GaDeWe bei Urdrüs Karnevalkabarett der Literarischen Gewalttätigkeiten. Sie werden die ganze kleine Bühne ausfüllen und seltsam ernsthaft wirken inmitten des Klamauks. Die Klarinette wird besonders schön jaulen im Klezmerstück, und die Bierzeltstandards, die Urdrü ihnen abgerungen hat, „Schützenliesel“ und „Schneewalzer“, werden aus den Instrumenten der Anti-Blasmusik-Bläser besonders bewegend sein. Wenn sie auch nicht die größten Musiker sind und keinen Vergleich mit der Konkurrenztruppe Lauter Blech wagen, so spielen sie sich doch in die geneigten Herzen der Hörer. So war es jedenfalls bis jetzt immer.

Cornelia Kurth

Heute und morgen, Galerie des Westens, Reuterstraße, 20 Uhr

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