: Während 19 Parteien sich für die ersten demokratischen Wahlen in Südafrika registrieren ließen, halten schwarze und weiße Rechte an ihrem Boykott fest. Ob sie großen Schaden anrichten können, ist zweifelhaft. Aus Johannesburg Willi Germund
Spielverderber mit wenig Schlagkraft
Neunzehn Parteien schrieben sich bis Samstag mitternacht bei der Unabhängigen Wahlkommission Südafrikas ein, um an den ersten demokratischen und allgemeinen Wahlen in der 350jährigen Geschichte des Staates teilzunehmen. Darunter befinden sich die bisher regierende Nationale Partei von Präsident Frederik de Klerk und der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) unter Führung von Nelson Mandela. Auch eine exotische Gruppe mit dem Namen „KISS“, deren Initialen Keep It Straight and Simple (Halte es einfach und klar) bedeuten, steht zur Wahl. Aber weder die konservative Schwarzenbewegung „Inkatha-Freiheitspartei“ von Zulu- Führer Mangosuthu Buthelezi noch die anderen in der rechtsextremen „Freiheitsallianz“ zusammengeschlossenen Reformgegner haben sich zur Wahl registrieren lassen.
Inkatha, die Regierung des Homelands Bophuthatswana sowie die rechtsradikalen Weißen- Gruppen „Afrikaner Volksfront“ und die „Konservative Partei“ lehnen die Wahlen ab, weil ihnen Südafrikas Übergangsverfassung nicht zusagt. Alle vier Gruppierungen verlangen regionale Staaten mit weitgehender Autonomie. Inkatha und die Volksfront kündigten an, sie wollten mit einem Widerstandsprogramm den Urnengang verhindern. Gleichzeitig machten der ANC und die Regierung de Klerks deutlich, daß sie weiter zu Verhandlungen bereit seien. Zur Not könne auch die Einschreibefrist nachträglich verlängert werden. Aber Peter Cronje, Sprecher der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) erklärte in der Nacht zum Sonntag: „Was uns anbetrifft, ist die Frist abgelaufen. Nur eine Sondersitzung des Parlaments könnte dies noch ändern.“ Diese Möglichkeit schien de Klerk auszuschlagen: „Wir können den Prozeß nicht dauernd wegen ein paar Gegnern aufhalten.“
Die Fronten sind verhärtet. Lange galt ein rechter Wahlboykott als schlimmstmögliches Szenario für ein Abgleiten Südafrikas in den Bürgerkrieg. Viele Anhänger der Rechten bereiten sich auf den Kampf vor: Die „Ystergard“ (Eiserne Garde) der neofaschistischen „Afrikaner Weerstandsbeweging“ (AWB) trainiert seit Monaten für den Krieg und läßt auch Frauen und Kinder regelmäßig am Schießstand üben. Südafrikas ehemaliger Geheimdienstchef Tienei Groenewald ließ während der vergangenen Wochen gerne mal Pläne für eine „Burenwiderstandsarmee“ auf dem Schreibtisch liegen. Inkatha bildet seit Monaten in sechswöchigen Kursen jeweils 450 Mann in „Selbstverteidigung“ in einem streng abgeschirmten Lager in Natal aus.
Die Führung der südafrikanischen Sicherheitskräfte warnte vor kurzem Staatspräsident de Klerk nicht nur, daß die Mehrheit der Soldaten und Polizisten einem Befehl zum Einsatz gegen weiße Reformgegner nicht folgen würden – sie wiesen auch auf die Möglichkeit eines Putschversuchs von rechts hin. „Wenn sie uns niedermachen wollen, müssen wir wohl ein bißchen Gewalt anwenden“, hatte vorher der Führer der Konservativen Partei, Ferdi Hartzenberg, gesagt.
Zu allem Überfluß verteilte Südafrikas Armee im Herbst 1993 auch noch 100.000 Maschinengewehre an sogenannte Kommandos – weiße „Bürgerwehren“ auf dem Land. Eine Gruppe rechtsradikaler Studenten hegt denn auch keinen Zweifel über die nahe Zukunft. Während einer Demonstration am Sonnabend zogen sie eine Attrappe mit, auf der sie vorne einen Panzerwagen, hinten Tote und blutüberströmte Verletzte gemalt hatten. Aber tatsächlich glaubt in Südafrika sonst kaum jemand, daß der von den Reformgegnern angekündigte Boykott die für den 26. bis 28. April geplanten Wahlen verhindern kann. Denn laut Meinungsumfragen ist der Anhang der Reformgegner so gering, daß kaum jemand ihr Wegbleiben von den Wahlurnen bemerken würde.
Gerade noch 20 Prozent der 3,6 Millionen wahlberechtigten Weißen würden heute für die Apartheidnostalgiker der Konservativen Partei stimmen – im weißen Referendum vom 17. März 1992 über die Fortsetzung der Reformen hatten noch 31 Prozent gegen eine weitere Demokratisierung gestimmt. Unter den Schwarzen hat Inkatha-Chef Buthelezi massiv an Boden verloren, seit er seine Gruppierung in eine Allianz mit den rechtsradikalen Weißen führte: Auf 25 Prozent schrumpfte die Zahl seiner Anhänger in seinem Stammland Natal – in ganz Südafrika sind es gerade drei oder vier Prozent. Die Reformgegner schafften es während der letzten Monate nicht ein einziges Mal, breite Unterstützung durch Großveranstaltungen unter Beweis zu stellen.
Jackie Cilliers vom „Institute of Defense Politics“ glaubt denn auch nicht an den immer wieder beschworenen rechten Volksaufstand: „Letzten Endes werden sie militärisch keine Bedrohung sein.“ Auch US-Botschafter Princeton Lyman ist überzeugt, daß die „Kommandostruktur der Sicherheitskräfte“ zur Regierung stehen wird, wenn es darauf ankommt.
Aber das vorsichtige Taktieren, das de Klerk während der vergangenen Jahre beim Umgang mit seinen Generälen an den Tag legte, zeigt, daß die Loyalität der Offiziere keine ausgemachte Sache ist. Aus dieser Ecke droht denn potentiell auch mehr Gefahr als von den zerstrittenen Rechtsradikalen. Auf 5.000 wird die Zahl der ehemaligen Mitglieder der special forces geschätzt, die in den achtziger Jahren vor allem in Mosambik, Angola und Namibia im Regierungsauftrag den Krieg gegen die vermeintliche Totaloffensive des Weltkommunismus führten. Viele haben innerlich immer noch nicht den Wandel zur Demokratie vollzogen und sympathisieren eher mit den Reformgegnern.
Die Probe aufs Exempel wird in dem Augenblick kommen, in dem Polizisten oder Soldaten solche ehemaligen Kameraden verhaften müssen. De Klerk vermied im Januar eine direkte Konfrontation, als bei Pretoria eine rechtsradikale Rundfunkstation trotz eines gerichtlichen Verbots weiter sendete.
Der Vorteil der sanften Gangart: Den Rechtsradikalen werden keine Märtyrer frei Haus geliefert. Freilich stellt sich die Frage, ob dieser Kurs beibehalten werden kann. Denn die rechtsradikalen weißen Reformgegner setzen bei ihren „passiven Widerstandsplänen“ auf den Einfluß, den sie auf dem Land und in kleinen Ortschaften auf die Verwaltung und die örtliche Polizei haben – darum geht es auch vor allem bei dem Traum eines „weißen Homelands“. Im Falle der Schwarzenbewegung Inkatha erledigt sich das Problem zudem nicht mit dem Urnengang: Buthelezi, der gleichzeitig das von Südafrika in Natal eingerichtete Homeland KwaZulu regiert, wird einer Auflösung „seines“ Schwarzenreservats nicht untätig zusehen. Aber die Reformgegner gaben in einem bisher geheimen Papier selber zu, daß sie noch zu schwach für eine Sezession von Südafrika seien.
Einen beängstigenden neuen Trend stellen jedoch die sich häufenden Anschläge auf Eisenbahnen und ANC-Büros dar. Die Polizei verhaftete während der vergangenen zehn Tage fast ein Dutzend weißer Rechtsradikaler, die für 30 Bombenanschläge verantwortlich sein sollen. Die Attentäter zündeten die Sprengsätze immer um Mitternacht und verletzten niemand. Dies kann sich in der Zukunft bei zunehmender Verbitterung ändern – und die Haltung der Gegenseite auch: „Wir können auch kämpfen“, warnte Mandela kürzlich auf einer Wahlveranstaltung. Und der respektierte Kommentator Allister Sparks sagte: „Vergeßt nicht, daß die Schwarzen bisher angesichts des Leids der Apartheid sehr versöhnlich sind. Diese Haltung könnte Verbitterung weichen, wenn die Wahlen verhindert werden sollen.“
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