: IG Metall: „Der Streik kommt, wenn nicht noch ein Wunder geschieht“
■ Arbeitskampf soll möglichst geringe Auswirkungen haben
Hamburg (taz) – „Vor einem Streik sehe ich keinerlei Chance, zu einer Einigung zu kommen. Und Streik, das bedeutet nach unseren Erfahrungen mindestens vier Wochen, bevor sich ernsthaft etwas bewegt.“ Frank Teichmüller, Chef des IG-Metall-Bezirks Küste (von Emden über Hamburg bis Flensburg und Wolgast) hält, „wenn nicht ein Wunder geschieht“, einen der härtesten Arbeitskämpfe der Nachkriegszeit für unausweichlich.
Ausschlaggebend für die Entscheidung, den Tarifkonflikt in den Norden zu verlegen, seien, so Teichmüller am Mittwoch abend in Hamburg, weder Gerhard Schröders Wahlkampf in Niedersachsen noch regionale Proporzgesichtspunkte, sondern ein EDV- Programm: Das von der bayerischen IG Metall entwickelte Programm „Cassib“ (Computer-added-Streik-Programm in Bayern) ermögliche es erstmals, die Wirkungen von Streiks auf andere Betriebe zu berücksichtigen. Im Norden, so zeigte sich, sind die „Fernwirkungen“ von Streiks am geringsten. Punktgenau wird die IGM deshalb im Norden genau solche Betriebe bestreiken, die einerseits gut verdienen („Streiks müssen weh tun“), andererseits aber keine anderen Betriebe per Fernwirkung (Produktionsstillstand, kalte Aussperrung) treffen. Der Grund: Indirekt betroffene Arbeiter erhalten weder Lohn noch Arbeitslosengeld. Die IG-Metall-Streikkasse kann aber nur dann auf Dauer durchhalten, wenn die Aussperrungen nicht Streikfolge, sondern als „heiße Aussperrung“ den Metall-Arbeitgebern anzulasten sind. Teichmüller: „Wer die kalte Aussperrung gewinnt, wird diesen Arbeitskampf gewinnen.“ „Der Fahrplan der IG Metall steht: Anfang März wird ein Streikaufruf zunächst 11.000 Metaller in Niedersachsen mobilisieren. Anschließend geht es im Wochentakt weiter, „um zwischendurch“, so Teichmüller, „das Nachdenken bei den Arbeitgebern zu fördern“. Die zweite Welle soll 7.000 in ganz Norddeutschland draufpacken, dann werden die Daumenschrauben mit 20.000 in der dritten und nochmals mehr als 20.000 in der vierten Runde härter angezogen. Teichmüller: „Das wird ein Ritt auf dem Hochseil. Aber ich sehe keine Alternative.“ Florian Marten
Warnstreiks
Frankfurt (AP) – Mit einem bundesweiten Aktionstag hat die IG Metall gestern die Warnstreiks und Protestkundgebungen erneut massiv ausgeweitet. Allein in Baden-Württemberg beteiligten sich rund 54.000 Metaller an kurzfristigen Arbeitsniederlegungen. Schwerpunkte lagen aber auch in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen. Erstmals solidarisierten sich auch ostdeutsche Beschäftigte bei Flugblattaktionen und Protestkundgebungen. Vor rund 20.000 Opel-Mitarbeitern sagte die stellvertretende SPD-Chefin Heidi Wieczorek-Zeul in Rüsselsheim, die Arbeitgeber hätten die Hauptverantwortung für das Scheitern der Tarifverhandlungen. Wieczorek-Zeul bezeichnete die Forderungen nach einem Inflationsausgleich und Beschäftigungssicherung durchaus als verantwortungsbewußt.
Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall erklärte in Köln, mit ihren Warnstreiks schwäche die Gewerkschaft die krisengeschüttelte Metallindustrie weiter in ihrer Wettbewerbsfähigkeit.
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