: „Kopfnicken im Blindflug“
■ Transrapid: Hamburger SPD sagt „nicht nein, wenn ja“ / CDU und FDP sagen „Ja unbedingt“/ Statt Partei sagt nix Von Marco Carini und Martina Parge
Hamburgs Sozialdemokraten tanzen mal wieder aus der Reihe. Gerade haben sich die Bundes-Sozis darauf verständigt, zumindest bis zur Bundestagswahl gegen den Transrapid zu sein, und die Kieler Genossen ihre Ablehnung gegen das Milliardenprojekt festgeklopft – da fallen ihnen die Elb-Sozialdemokraten fröhlich in den Rücken.
Kaum hatte das Bundeskabinett gestern die Weichen für die Transrapid-Strecke zwischen Hamburg und Berlin gestellt, schon sprang Henning Voscherau der Kohl-Regierung freundlichst zur Seite: „Zu einer solchen Sonderverbindung“ könne Hamburg „nicht nein“ sagen.
Dem bürgermeisterlichen „nicht nein“, schickte kurz darauf SPD-Fraktionsvorsitzender Günter Elste ein entschlossenes „ja wenn“ hinterher: Wenn die Schwebebahn auf Stelzen technisch einsatzreif, ökologisch verantwortbar und ökonomisch sinnvoll sei, nicht in Konkurrenz zum Ausbau der Bundesbahnstrecke Hamburg-Berlin stehe und den Hamburger Haushalt nicht belaste, dann seien die Hamburger Sozialdemokraten entschieden für das Projekt. Nun ist nach derzeitigem Sachstand keine dieser Bedingungen erfüllbar, wodurch aus dem „Ja, wenn“ eigentlich ein „Na, denn nicht“ werden müßte.
Weitere Stellungnahmen aus dem Hamburger Regierungslager: Fehlanzeige. Werner Dobritz, verkehrspolitischer Sprecher der SPD und Transrapid-Gegner muß geahnt haben, welch verbalrethorischer Spagat ihm nach der Entscheidung abverlangt würde: Er hatte sich rechtzeitig in den Urlaub abgesetzt. Der Statt Partei gelang es den ganzen Tag über nicht, einen der ihren aufzutreiben, der sich zutraute, kompetent Stellung zu nehmen. Ansonsten Schlagabtausch mit gewohnten Rollen: Hamburger Handelskammer, FDP und CDU-Chef Dirk Fischer witterten unisono „neue Impulse, neue Arbeitsplätze und neue Exportchancen“.
Der Verkehrsclub Bundesrepublik Deutschland (VCD) und der BUND sehen das natürlich anders. „Die Regierung setzt sich mit dem Beschluß über die eindringlichen Warnungen ihrer eigenen Experten hinweg und liefert damit den Beweis ihrer eigenen Lernunfähigkeit“, wetterte der lauenburgische BUND-Sprecher Eugen Prinz gegen den „Flop auf Kosten des Steuerzahlers“. Die BUND-Jugend, die gestern am Rathausmarkt den Stelzenflieger symbolisch im Milliardengrab versenkte, prognostizierte ein jährliches Defizit von 130 Millionen Mark.
Der GAL-Verkehrsexperte Martin Schmidt wertete die zustimmende Haltung von Voscherau und Elste als „Kopfnicken im Blindflug“. Noch gebe es keinerlei „seriöse Planungen über die Anbindung der Magnetschwebebahn an das Hamburger Nahverkehrssystem“, die sozialdemokratische Hoffnung, Hamburg könne die Stelzenbahn „zum Nulltarif bekommen, sei illusorisch“.
(Weitere Berichte S. 1,6 und 10)
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