■ RadioTip
: Ton-Suren

„Der Koran – Ein fremdes Heiligtum entdecken“, Freitag, Samstag und Sonntag, jeweils von 15 bis 17 Uhr, WDR 5

Märchen, Literatur und auch die Bibel hat man in der Vergangenheit schon stundenlang zum Klingen gebracht. Mammutlesungen haben im Westdeutschen Rundfunk Tradition. Mit einer insgesamt rund viereinhalbstündigen Lesung aus dem Koran begibt man sich an diesem Wochenende jedoch in mancherlei Hinsicht auf unbekanntes Terrain. Schließlich will man hier nicht nur ein Stück Weltliteratur bekanntmachen, sondern, so WDR-Programmbereichsleiterin Gerda Hollunder, „auf traditionaler und emotionaler Ebene Einblicke in eine Kultur vermitteln, die den meisten hierzulande in ihren Ursprüngen völlig fremd ist“. Gelesen werden die Suren auf deutsch von den Schauspielern Rolf Boysen, Nicole Heesters und Ulrich Matthes. Und im Vortrag dieser Profistimmen entfalten die Texte eine poetische Qualität, der man sich kaum entziehen kann, auch wenn man seine Jugend nicht als Meßdiener, Chorknabe oder ähnliches zugebracht hat. Diese Qualität jenseits allen kognitiven Verstehens kommt für deutsche Hörer erst recht zur Geltung, wenn Scheich Mohammed Ayoub Ben Mohammed Yousef in Aktion tritt. Der Vorbeter der Moschee von Medina trägt zwischen den deutschen Texten immer wieder kurze Koran-Passagen im arabischen Original vor. Besonders eindrucksvoll vermittelt sich seine Kunst des Sprechgesangs allerdings erst in der letzten Folge des Radio-Korans am Sonntag, wenn er die zweite und mit Abstand längste Sure zwanzig Minuten lang zum Klingen bringt.

Da es sich bei dem Unternehmen in Zeiten eines erst jüngst bestätigten Todesurteils gegen Salman Rushdie um eine hochsensible Materie handelt und der WDR keinesfalls dastehen wollte wie Karlchen Lagerfeld mit seinem Fummel, wird das Projekt von dem renommierten Islamwissenschaftler Abdoldjavad Falaturi begleitet. Er gibt nicht nur eine Einführung in den Koran zu Beginn des Programms, sondern ist auch Teilnehmer einer Studiodiskussion, mit der das Projekt am Sonntag beendet wird.R. Lüke