: Zeitungen zum Lesen, nicht zum Zudecken
■ Wachstumsmarkt Obdachlosigkeit: „HAZ“ und „mob“ machen sich Konkurrenz
Ab Freitag wird es in Berlin gleich zwei Zeitungen für und von Obdachlosen geben. Nachdem vergangene Woche die erste Ausgabe der HAZ (Hunnis Allgemeine Zeitung), herausgekommen ist, wird Ende der Woche die erste Ausgabe von „mob – das Straßenmagazin: Obdachlosigkeit in Berlin“ folgen. In beiden Zeitungen kommen Obdachlose zu Wort und übernehmen den Vertrieb. Von dem Verkaufspreis von zwei Mark können sie die Hälfte behalten. Die HAZ erscheint in einer Auflage von 30.000; mob druckt zwischen 30.000 und 50.000 Exemplare.
Die Idee für die HAZ kommt aus Paris: Initiiert und finanziert wird die Zeitung von der französischen Obdachlosenzeitung Le Réverbère (Die Straßenlaterne), die 1993 gegründet wurde und in Paris und anderen großen Städten Frankreichs verkauft wird. Dem Berliner Förderverein der HAZ gehören Vertreter des Obdachlosentheaters „Ratten“ und eine Gruppe trockener Alkoholiker aus Pankow an. Mit der HAZ will der Obdachlose Georges Mathis, Gründer von Le Réverbère, der Verwirklichung seiner Idee, europaweit Obdachlosenzeitungen zu gründen, einen Schritt näherkommen. Bis eine geeignete Druckerei in Berlin gefunden ist, wird die HAZ weiterhin in Paris gedruckt und nach Berlin geflogen.
Das anfänglich monatlich erscheinende Straßenmagazin mob wird von der Berliner Initiative gegen Wohnungsnot (BIN e.V.) herausgegeben, die seit rund zehn Jahren besteht. Nach den Obdachlosenzeitungen Biss in München, Hinz und Kunzt in Hamburg und dem Kölner Bank-Express, wollte BIN e.V. ein solches Projekt auch in Berlin realisieren. Sonja Kemnitz, eine der drei mob-RedakteurInnen – allesamt keine Obdachlosen –, hätte sich eine Mischung aus „französischem Expressionismus und deutschem Impressionismus“ gut vorstellen können.
Doch der Kampf um Marktanteile hätte dazu geführt, daß beide Projekte jetzt in Konkurrenz zueinander stünden. Auch Helmut Ackermann, Chefredakteur und Geschäftsführer der HAZ – ebenfalls nie obdachlos –, glaubt nicht an ein gemeinsames Zeitungsprojekt. „Warum sollen wir uns zusammentun, wenn beide Zeitungen nebeneinander existieren können?“
Die HAZ wird nicht in den Redaktionsräumen in Niederschönhausen an die Verkäufer verteilt, sondern am Bahnhof Zoo. Dies geschehe auf Anraten von Kollegen aus Paris und Hamburg, so Ackermann, da das Arbeiten erschwert würde, wenn jeder mit seinen Problemen in die Redaktion käme. Der Bahnhof biete sich als „Ballungspunkt von Obdachlosen und Reisenden“ als „zentrale Anlaufstelle“ an. Anfänglich werden maximal 50 Exemplare pro Person verkauft – die ersten zehn umsonst, um durch den Erlös weitere Zeitungen kaufen zu können. Von einem LKW herunter werden die Zeitungen an die Obdachlosen verteilt, nicht ohne den Hinweis darauf, daß sie einer „illegalen Tätigkeit“ nachgehen, so Ackermann.
Illegal in dem Sinne, daß mit den Sozialämtern und dem Senat noch keine Regelung über die Verkaufstätigkeit gefunden wurde. Michael Haberkorn, Referent für Grundsatzfragen bei der Senatsverwaltung für Soziales, der „Sympathie für die Zeitungsprojekte“ hat, sieht allerdings „rechtlich keinen Grund, einen Zuverdienst zu verweigern“. Der Zeitungsverkauf gäbe den Obdachlosen außerdem die Möglichkeit, den Umgang mit Geld wieder zu üben und sich in die Gesellschaft einzubringen. Barbara Bollwahn
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