piwik no script img

„Die Idee allein genügt mir nicht“

Leihgaben aus der Natur: echte Steine aus dem Neandertal und echter Schlamm aus Cornwall. Der britische Wanderer und Sammler Richard Long zeigt Reisespuren in Düsseldorf  ■ Von Stefan Koldehoff

Sein Museum ist die Welt, die Leihgaben stellt die Natur, und nur wer den Briten bei der Arbeit an seinen Arrangements beobachtet, wird verstehen, wie in den Werken immer wieder beides für begrenzte Zeit, bis die Leihgaben an die Leihgeberin zurückgegeben werden, zusammenfindet. Richard Long wandert und sammelt – seit 20 Jahren am liebsten im nahe seiner Heimatstadt Bristol gelegenen Dartmoor, aber auch in Alaska, der Sahara, in Südamerika, Nepal und Australien. Wasser muß es in den von ihm geplant oder spontan durchquerten Gebiet ebenso geben wie Steine. Beides wird von Richard Long am Ende als Materialfundus seiner Reisen genutzt, um zusammen mit Karten und Fotografien den Weg durch die Natur zu dokumentieren. In seinen in Museen oder im Freien zusammengestellten Assemblagen, die anders als die Werke der Land-art- Kollegen Walter de Maria oder Christo Javacheff keine Eingriffe, sondern geliehene Zeugnisse der Natur sind, bedient sich Long vor allem der geometrischen Grundformen Linie und Kreis: „Die Abstraktion ist ein Weg, das Leben einfacher zu machen.“

Noch bis zum 24. April zeigt die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen die beiden Werke „Neandertal Line“ und „White Water Circle“. Aus Kalksteinen des nahegelegenen Neandertals, die von weißen Korallenadern durchzogen sind, hat Richard Long eine 44 Meter lange und etwa zwei Meter breite Linie gelegt, die sich schnurgerade über den Boden der Erdgeschoßhalle erstreckt. Sie führt auf ein zwölf Meter hohes und breites quadratisches Wandbild hin. Mit in Wasser gelöstem weichen Schlamm aus Cornwall hat Long einen beinahe weißen Kreisring auf die Stirnwand der Halle aufgebracht. Trotz seiner Monochromie scheint das Bild in sich wie eine Quelle zu sprudeln. Farbspritzer lösen die Kreisform in alle Richtungen auf, den Boden unter dem Bild bedeckt eine weiße Schlammschicht. Mit heftigen Gesten, die mit der geschlossenen Form des Schlammgemäldes kontrastieren, in Handarbeit geschaffen, geht von der Materialität dieses Freskos eine ungeheure meditativ-suggestive Kraft aus. „Meine Kunst hat keine symbolische Bedeutung und keine Funktion“, erklärt Long. „Ich bin auch kein konzeptueller Künstler, die Idee allein genügt mir nicht. Das hier ist echter Stein, und es ist echter Lehm, so wie ich das echte Gehen als Medium für die Realisierung von Kunst gewählt habe. Das Gehen hat sich seit dem Beginn der Menschheit nicht verändert.“ Längst hat der internationale Kunstmarkt auch diese künstlerischen Bemühungen vereinnahmt und umgekehrt. Longs Steinkreise erzielen auf Auktionen mit zeitgenössischer Kunst umgerechnet zwischen 80.000 und 120.000 Mark. Wer eines seiner Werke kauft, bekommt ein Echtheitszertifikat mitgeliefert, damit sich kein falscher Stein unter die von Long gesammelten schleicht. Die Düsseldorfer Installation allerdings wird Ende April ins Neandertal zurückkehren, der große weiße Schlammkreis überstrichen werden. Was bleibt, sind einmal mehr nur dokumentierende Fotografien und Grafiken.

Richard Long. Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Noch bis 24. April. Katalogbuch: 60 Seiten mit 30 Farbabb., Leineneinband, 45 Mark. Bis 5. April zeigt außerdem die Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer in der Platanenstr.7 Werke, Fotografien und Grafiken von Richard Long.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen