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Wahlsieg der Rechten über die Ex-Guerilla

■ Rechte "Arena"-Partei gewinnt die Wahlen in El Salvador / FMLN spricht von Betrug / Zweiter Wahlgang noch unklar

San Salvador (taz) – Schon wenige Stunden nach der Schließung der Wahllokale herrschte Jubel vor dem Hauptquartier der Republikanisch-Nationalistischen Allianz („Arena“). Eine begeisterte Menge hatte die ersten inoffiziellen Teilergebnisse der sogenannten „Jahrhundertwahlen“ gehört, wartete auf ihren Präsidentschaftskandidaten Armando Calderón Sol und ließ den vor zwei Jahren verstorbenen Parteigründer Major Roberto d' Aubuisson hochleben, den mutmaßlichen Mörder von Erzbischof Romero.

Nach ersten Hochrechnungen konnte die ultrarechte „Arena“ die große Mehrheit der 262 Gemeinden und wahrscheinlich eine bequeme Mehrheit im Parlament gewinnen. Ob bei den Präsidentschaftswahlen Armando Calderón Sol bereits in der ersten Runde die erforderliche absolute Mehrheit erreicht hat, ist noch unklar. Wenn nicht, muß er sich in vier Wochen einer Stichwahl gegen Rubén Zamora stellen, den Kandidaten der Linksallianz FMLN/Demokratische Konvergenz. Die ersten offiziell ausgezählten 49 Prozent der 7.000 Urnen geben Calderón 49,82 Prozent. Mit den aus den Provinzen eintreffenden Teilergebnissen wird der Vorsprung von „Arena“ geringer.

In Chalatenango, einer traditionellen Hochburg der ehemaligen Guerilla FMLN, hatte der Wahltag mit Optimismus bei den ehemaligen Rebellen begonnen. Unter dem Druck internationaler Beobachter und angesichts der Boykottdrohung von über hundert Campesinos, die am Vorabend vor dem Wahlzentrum im Hotel Presidente aufmarschiert waren, hatte das Oberste Wahltribunal am Samstag in letzter Minute beschlossen, in den vier Gemeinden Arcatao, San José de las Flores, San Isidro Labrador und Nueva Trinidad doch Urnen aufzustellen. Bis dahin hatte die von „Arena“ kontrollierte Wahlbehörde darauf beharrt, die Einwohner dieser Dörfer – fast ausschließlich Anhänger der FMLN – zur Stimmabgabe in die Provinzhauptstadt Chalatenango reisen zu lassen. Eine vom Wahlgesetz nicht gedeckte Schikane, die den Verdacht aufkommen ließ, daß die Regierung ehemalige Soldaten in die Listen einschleusen wollte.

Dieses Gerücht konnte letzten Endes nicht bestätigt werden, doch die Häufung von Unregelmäßigkeiten in den ehemaligen Guerilladörfern war auffällig. Während im Landesdurchschnitt kaum mehr als zwei Prozent der Wähler geheimnisvoll aus dem Register verschwunden waren, wurden im nördlichen Chalatenango fünf bis zehn Prozent der Wahlwilligen nach Hause geschickt. Mindestens ebenso viele hatten nicht einmal einen Wahlausweis bekommen.

Die bisher verfügbaren Teilergebnisse bestätigen die jüngsten Umfragen. Danach liegen die Christdemokraten, die vor fünf Jahren die Regierung an „Arena“ abgaben, mit unter 15 Prozent auf dem dritten Platz, während sich die ehemalige Guerillafront FMLN mit etwa einem Viertel der Stimmen auf Anhieb als zweite politische Kraft El Salvadors etabliert hat. Sie konnte zahlreiche Gemeinden in den ehemaligen Konfliktzonen erobern und wird im Parlament einen starken Oppositionsblock bilden. Das Wahlziel, in Provinzhauptstädten die Bürgermeister zu stellen, hat sie aber verfehlt. 13 von 14 Provinzhauptstädten gingen an „Arena“, eine an die Christdemokraten. Die FMLN gewann zwar mit großem Vorsprung in „ihren“ Gemeinden in Chalatenango. Doch muß den Revolutionären zu denken geben, daß Ortschaften wie Perquin, die jahrelang eine Art Haupstadt der kontrollierten Zone von Morazan war, an „Arena“ gingen.

Rund dreitausend Wahlbeobachter aus aller Welt und Hunderte Journalisten konnten eine Anzahl von Unregelmäßigkeiten beobachten, die das Ergebnis trüben. Felix Ulloa, der Rechtsberater der Linksallianz, zählte deren 151 und wies darauf hin, daß das Ergebnis dadurch beeinflußt worden sein könnte. Doch für eine Anfechtung des Resultats auf Grund der voraussehbaren Probleme sei es zu spät. Über zehn Prozent der eingeschriebenen Wähler haben ihren Wahlausweis nicht rechtzeitig ausgehändigt bekommen, und in den FMLN-freundlichen Gemeinden durften fünf bis zehn Prozent der eingetragenen Wähler ihre Stimme nicht abgeben, weil sie im Register nicht erschienen. An Urnen, die am Morgen mit großer Verspätung aufsperrten, wurden am Abend Tausende Staatsbürger, die stundenlang Schlange gestanden hatten, abgewiesen, weil die Zeit nicht reichte. Das erklärt auch die niedrige Wahlbeteiligung, die mit etwa 60 Prozent weit unter den Erwartungen lag.

Während die UNO-Beobachterkommission konstatierte, daß der Wahltag ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen sei, und dem salvadorianischen Volk zu seiner „Reife und Klugheit“ gratulierte, rief Rubén Zamora seine Wähler auf, „in einer zweiten Runde am 24. April gegen den Betrug zu kämpfen“. Falls die letzten Zahlen doch noch eine absolute Mehrheit für die „Arena“ bringen sollten, überlegt die FMLN, die Wahl offiziell anzufechten. Ralf Leonhard

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