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In China drohen Revolten und „ernste Aufstände“

■ Offizieller Bericht bestätigt: Das rapide Wirtschaftswachstum hat die chinesische Gesellschaft gespalten / Minderheiten sind unruhig, Arbeiter und Bauern verarmen

Peking (AFP) – In China droht eine dramatische Zuspitzung der sozialen Lage. Damit ein Chaos vermieden werden könne, müsse die Staatsführung dringend handeln, heißt es in dem jüngst veröffentlichten „Blaubuch“ der Sozialwissenschaftlichen Akademie Chinas, das AFP vorliegt. Die Autoren des offiziellen Berichts warnen vor Unruhen und Revolten.

Die Berichterstatter ziehen zunächst eine düstere Bilanz des vergangenen Jahres. Sie bestätigen bereits bekannte tragische Zwischenfälle und listen zahlreiche weitere auf. Die blutigsten Zusammenstöße ereigneten sich demzufolge in den von muslimischen Minderheiten bewohnten Regionen. Ende August und Anfang September hätten im Westen des Landes „Hunderttausende Fundamentalisten“ protestiert. Bei Aufständen in Kashgar im Mai 1993 habe es zahlreiche „separatistische“ Anschläge gegeben. Die Verfasser des „Blaubuchs“ weisen darauf hin, daß sich in zahlreichen Regionen „politische und religiöse Probleme“ vermischten. Sie warnen vor zunehmendem „Regionalismus“ und Sabotageakten „separatistischer Organisationen von außen und innen“.

Zwischen der Zentralregierung und den Provinzen werde es „unvermeidbare Brüche“ geben, heißt es weiter. Die Unruhen in ländlichen Regionen sind nach Ansicht der Autoren auf eine seit der Gründung der Volksrepublik China beispiellose Verarmung zurückzuführen. Die Verfasser berichten auch über wachsende Konflikte innerhalb der Unternehmen, wo Streiks und Demonstrationen deutlich zugenommen hätten. So habe es zum Beispiel in der ostchinesischen Hafenstadt Ningbo allein im Mai vergangenen Jahres dreißig „ernste Zwischenfälle“ gegeben. Als Ursache für die Unzufriedenheit machen die Berichterstatter auch hier eine horrende Verschlechterung des Lebensstandards aus, die auf die dramatische Finanzlage der staatlichen Unternehmen zurückzuführen sei. – Für das laufende Jahr prognostizieren die Experten eine mit der weiteren Verankerung der Wirtschaftsreformen einhergehende Zunahme der sozialen Destabilisierung. In den am stärksten betroffenen Regionen müsse daher mit „ernsten Aufständen“ gerechnet werden. Angesichts von zunehmenden Entlassungen werde sich auch die Lage in den Betrieben weiter zuspitzen. Um Chaos zu verhindern, müsse die Regierung ihre Reformanstrengungen stärker sozial abfedern. Außerdem solle die Polizei effektiver arbeiten, und der Kampf gegen die Korruption müsse ausgedehnt werden. Von Vorteil sei auch eine größere Transparenz in der politischen Führung des Landes.

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